Verdi wechselt Verhandler aus
Von Niki Uhlmann
Gewerkschaftsbasis und Gewerkschaftsbürokratie kommen selten komplett überein. Das politische Ringen etwa um den Grad der Sozialpartnerschaft ist ein Dauerbrenner. Greift dieses über auf die ökonomischen Tageskämpfe, entspinnen sich zuweilen offene Konflikte. Das scheint gerade in der Bundestarifkommission (BTK) von Hennes & Mauritz (H & M) der Fall zu sein.
»Für eine demokratische Gewerkschaft, die unsere Stimme respektiert«, lautet der Titel einer Petition, die besagte BTK im Februar gestartet hat. Kritisiert wird dort »die Einsetzung einer neuen Verhandlungsführung ohne Einbindung der BTK und der Beschäftigten«. Verdi verhalte sich zunehmend wie ein Konzern, der »von oben herab« bestimme. Gemeint ist Damiano Quinto, den Verdi eigenmächtig durch Henrike Eickholt ausgewechselt hat.
Dementgegen hatte sich die BTK klar für Quinto ausgesprochen, der die Abschlussvollmacht zudem »bereits innehatte, auch für die kommenden Verhandlungen«. Gefordert werden darum nun die »sofortige Rücknahme der Entscheidung« und eine Stellungnahme Verdis, »dass künftig keine Entscheidungen mehr ohne die Einbindung der zuständigen Gremien und Mitglieder getroffen werden«. Wenn nicht, so die Petition, werde die BTK »symbolisch« aus der Gewerkschaft austreten.
Quinto hat sich um den Posten verdient gemacht, 2022 einen Digitalisierungstarifvertrag (Digitv) für H & M und andere Marken ausgehandelt, der Beschäftigten Mitbestimmung bei der Neugestaltung ihrer Arbeitsplätze und -abläufe durch digitale Technik einräumt. Silke Zimmer, heute im Verdi-Bundesvorstand, sprach diesbezüglich noch vergangenes Jahr von »Pionierarbeit«. Auf mangelnde Qualifikation kann der Wechsel folglich nicht zurückgeführt werden.
Bleiben politische Beweggründe. Quinto ist bei Verdi nicht unbescholten. 2019 mahnte man ihn ab, weil er auf Facebook einen Artikel im Express, einer Zeitung für sozialistische Gewerkschaftsarbeit, verlinkt hatte, der den Fachbereich Handel kritisch beleuchtet. Mit Verweis auf »interne Diskussionen« wollte Verdi gegenüber jW weder zu Quinto noch zur Petition Stellung nehmen.
Im September 2025 wird der Digitv auslaufen. Ein »Meilenstein ist in Gefahr«, heißt es in der Petition. Darum will die BTK bestens vorbereitet sein. Quinto habe »den kompletten Prozess begleitet«, kenne die Konflikte zwischen Gesamtbetriebsrat (GBR) und Konzern und könne daher »die Interessen der Beschäftigten bestmöglich durchsetzen«, sagte ein GBR- und BTK-Mitglied auf jW-Nachfrage am Donnerstag.
Quinto selbst kommentierte: »Wer gewerkschaftliche Gegenmacht will, muss von der Basis ausgehen.« Aktuell müsse er vor Gericht ziehen, weil Verdi sich weigere, seine Tariftätigkeiten und Vollmachten in einem Zwischenzeugnis anzuerkennen. Statt Rechtsstreitigkeiten nachzugehen, würde er lieber »gemeinsam mit GBR und BTK für die Interessen der Beschäftigten kämpfen«.
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