Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Wie Trump Zollsätze kalkuliert

Von Lucas Zeise
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Warum werden künftig Importgüter der USA aus China mit 34 Prozent verzollt, die aus Vietnam aber mit 46 Prozent und die aus Kambodscha mit 49 Prozent? Weil die kluge US-Regierung für alle 185 Länder auf ihrer Liste einen wunderbar einleuchtenden Maßstab dafür gefunden hat, wie sehr das jeweilige Ausland die USA im Handel übervorteilt. Journalisten wurde auch Einblick in den Algorithmus gewährt, wie sich daraus der jeweilige Zollsatz für jedes Land einzeln errechnet.

Man nehme als Beispiel China. Der Außenhandelsüberschuss gegenüber den USA betrug im vergangenen Jahr 295 Milliarden US-Dollar. Alle Exporte Chinas in die USA haben 438 Milliarden US-Dollar betragen. Nun dividiere man den ersten Wert durch den zweiten und erhalte damit 0,674 oder 67 Prozent als Maß der Übervorteilung der USA durch China. Da die US-Regierung grundsätzlich ihren Geschäftspartnern gegenüber freundlich eingestellt ist, werden diese 67 Prozent grundsätzlich halbiert, bevor sie völlig logisch als künftiger Zollsatz von 34 Prozent für Importe aus China angewendet werden. Und völlig einleuchtend ist auch, dass Länder wie Kambodscha (49 Prozent), Botswana (37 Prozent) oder die Pazifikinselgruppe Fidschi (32 Prozent), die 2024 gerade größere Aufträge von US-Konzernen abgearbeitet hatten, nur knapp unter oder sogar erheblich über den Zollsätzen für das große China liegen.

Halt, das wäre ja ungerecht! Man muss erwähnen, dass US-Präsident Donald Trump am Mittwoch nachmittag im Rosengarten des Weißen Hauses einen Grundzolltarif für die Importe aus aller Welt von zehn Prozent angekündigt hat. Der wird auch fällig gegenüber Staaten wie Großbritannien, Australien und gegenüber vielen Ländern Lateinamerikas, die ein Defizit in der Handelsbilanz mit den USA ausweisen. So betrachtet erscheint der Zollsatz für Produkte von den Fidschi-Inseln von 32 Prozent dann nicht mehr exorbitant. Und es kommt hinzu: Bei China wird der neue Zollsatz auf die bisher schon angekündigten Sonderzölle von 20 Prozent draufgeschlagen, so dass sich viel gerechtere 54 Prozent errechnen.

Deutschland wird in der Tabelle der 185 US-Handelspartnerländer gar nicht genannt, sondern nur die EU als Ganzes, die mit einem Importzollsatz von 20 Prozent ganz gut davonkommt. Deutschland allein wäre als Handelspartner bei einem Handelsüberschuss von 88 Milliarden US-Dollar, geteilt durch ein Importvolumen von 163 Milliarden US-Dollar gegenüber den USA, bei einem Übervorteilungsmaß von 54 (Prozent) und damit bei einem Importzoll auf deutsche Güter von 27 Prozent gelandet. Vielleicht einer der seltenen Erfolge deutscher Diplomatie.

Überhaupt sollte man als Deutscher und EU-Bürger über die kruden und albernen Kalkulationsmethoden der US-Regierung in ökonomischen Fragen nicht lächeln. Erinnert sei nur an die Defizitkriterien, die in den 1990er Jahren von der Deutschen Bundesbank aus dem Hut gezaubert wurden, um unliebsame Kandidaten von der gemeinsamen Währung Euro auszuschließen. Die Höchstgrenzen von drei Prozent neuer Schulden im Staatshaushalt und von 60 Prozent in der aufgelaufenen Staatsschuld wurden willkürlich festgelegt. Sie geistern in den EU-Regelwerken bis heute herum, entbehren bis heute jeder ökonomischen Begründung, sind aber politisch immer noch wirksam. Ganz wie die wundersame Zollberechnung der USA bald das imperialistische weltweite Handelssystem aufmischt.

Unser Autor ist Finanzjournalist und Publizist. Er lebt in Aachen.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Martin M. aus Hartberg (5. April 2025 um 21:08 Uhr)
    Danke für diese einfache, aber gute Erklärung, wie die diese Zollsätze berechnet werden.

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