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Aus: Ausgabe vom 07.04.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Südkorea

»Gebotene Ausgewogenheit« fehlte

ARD und ZDF ziehen Dokumentation über Südkoreas Regierungspartei nach Kritik zurück
Von Martin Weiser, Seoul
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Mit der Nationalflagge in der Hand: Yoon-Unterstützer am Sonnabend in Seoul

Im Februar wurde auf der Webseite des Senders Phoenix die halbstündige Dokumentation »Inside Südkorea – Staatskrise im Schatten von China und Nordkorea« veröffentlicht und im Fernsehen gezeigt. Sie wollte vorgeblich die kaum beachtete Sichtweise der Regierungspartei PPP (koreanisch: Gungminui Him, Englisch: People ­Power Party, PPP) auf den Putsch vorstellen. Doch kurz darauf verschwand das Video wieder aus den Mediatheken von ARD und ZDF, weil man nach einer Vielzahl von Beschwerden Spiegel zufolge einsah, dass die Doku dem eigenen »journalistischen Anspruch« nicht gerecht werde und die »gebotene Ausgewogenheit« fehle. Dass praktisch nur Yoon-Fans und rechte Theoretiker zu Wort kommen, hätte man jedoch vorher merken können.

Allein die These, China und Nordkorea würden Südkoreas System unterwandern und die Wahlen manipulieren, hätte harter Fakten bedurft. Obwohl in der Doku Eric Ballbach von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik kurz zu Wort kommt und anmerkt, dass es keinerlei Beweise für Wahlbetrug gibt, wird den Rechten und ihren diesbezüglichen Anschuldigungen in der Produktion viel Raum gegeben. Laut dem interviewten Statistiker Hu Byeong Gi ist sogar das Ergebnis der Parlamentswahlen von 2020, bei dem die Demokratische Partei die Mehrheit erhielt, »unrealistisch« und habe eine herbeigerechnete statistische Wahlscheinlichkeit von nur 280 zu 1. So etwas könne nur in Ländern wie Nordkorea vorkommen, meint Hu zu wissen, dessen Buch in der Doku beworben wird.

Übereifrig macht sich die Dokumentation auch andere rechte Narrative zu eigen und stellt in den Raum, drei der neun Verfassungsrichter stünden der Opposition nahe und seien damit befangen. Sie lässt dabei unerwähnt, dass Yoon ebenfalls eigene rechte Richter eingesetzt hat. Gegen den linken Gerichtspräsidenten Moon Hyung Bae würden sogar Ermittlungen laufen, so die Doku. Doch der Grund für die Ermittlungen hat sich längst als Fake News-Kampagne herausgestellt, wie die Nachrichtenagentur AFP bereits Mitte Februar in einem Faktencheck erklärte. Einem öffentlichen Kommentar von Moon in einem Internetforum hatte demnach jemand ein kinderpornografisches Foto hinzugefügt, um den Anschein zu erwecken, dieser hätte das Foto positiv kommentiert. Seitdem bezeichnen rechte Demonstranten Moon sogar vor dem Eingang zum Verfassungsgericht als Kinderschänder. Die zwei Filmemacherinnen hatten dieses Detail ausgelassen. Spätestens hier hätte dem Sender klar werden müssen, dass mit dem Film etwas nicht stimmte.

Rechte in Südkorea nutzen die Löschung der Dokumentation in der Mediathek nun dazu, den Vorfall zu instrumentalisieren. Auf Youtube kursiert der Film bereits mit koreanischen Untertiteln. Und der rechte Youtuber Oh Dong Gyun, der in der Produktion zu Wort kommt, verbreitet die Information, dass »Linke« die Ausstrahlung der Doku verhindert hätten.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Gabriel T. aus Berlin (7. April 2025 um 08:26 Uhr)
    Interessanter wäre in diesem Zusammenhang, aus welcher politischen Motivation diese Fakedoku gestrichen wurde. Das öffentliche Medien in der BRD, in der Regel kein Problem haben, Fakes zu verbreiten, hat letztlich erst ein anerkannter Militär, von euch erwähnt, kritisiert. Der Beweggrund kann es also nicht sein. Möglich scheint eher, dass die deutsche Unterstützung für die PPP, aus staatstragenden politischen Gründen hier, offensichtlich heruntergefahren wird. Genau auf diesem Hintergrund stellt sich die Frage warum.

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