Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 07.04.2025, Seite 11 / Feuilleton
Religion

Ach, du lieber Gott: Konfessionslose in Überzahl

Von Hagen Bonn
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Entrückter Blick? Er hat es gesehen

Der aktuelle Spielstand lautet: 39:38. Also Millionen Konfessionslose gegenüber Mitgliedern der beiden großen Kirchen Deutschlands (Katholiken, Protestanten). Diese Zahlen meldete jüngst die von der Giordano-Bruno-Stiftung eingesetzte »Forschungsgruppe Weltanschauungen«. Hurra, Deutschland ist endgültig mehrheitlich vom Glauben abgefallen! Wurde auch Zeit, denn Buenaventura Durruti (1896–1936), revolutionärer Held des Spanischen Bürgerkriegs, wusste bereits: »Die einzige Kirche, die erleuchtet, ist eine brennende Kirche.« Genau. Ist aber schon ein wenig her. Zuletzt geschehen 1992, als der norwegische Black Metal seine ganz eigene Werbetrommel rührte. Oder 1525, als Thomas Müntzer und Genossen durch Süddeutschland zogen – da brannten vorwiegend Klöster. Das ist 500 Jahre her. Trotzdem: Ende gut, alles gut.

Vermerken wollen wir aber auch folgenden Sachstand: Wer aus der Kirche austritt, aus der Heilsanstalt, muss nicht zwangsläufig ungläubig sein. Man kann auch Sport treiben, ohne im Verein zu sein, oder? Und da wären ja noch circa fünf Millionen Muslime in Deutschland. Muslim ist man übrigens per Geburt, ein Leben lang. Man kann weder ein- noch austreten. Nicht zu vergessen die Freikirchen in Deutschland, also jene Christen, die sich vom Staat getrennt haben. Die kriegen nichts aus den Landeshaushalten, 2022 waren es 602 Millionen Euro, die an die zwei Großkirchen überwiesen wurden. Das Monatsgehalt eines deutschen Bischofs (ab 8.000 Euro und mehr) oder das eines Erz- oder Landesbischofs oder Kardinals (12.000 Euro und mehr) zahlen wir, die Steuerzahler. Gleich, ob Atheist, Muslim, Satanist oder Flötist.

Nicht wenige sind vermutlich wegen der sexualisierten Gewalt an Kindern und Jugendlichen ausgetreten. Kann man verstehen. Und es anscheinend auch so sehen: »Die Kirchen müssten Widerstand leisten gegen die Mächtigen dieser Erde. In der Welt des Kapitalismus, der Investmentbanker, einer gigantischen Finanzindustrie mit ihren gesellschaftlichen Leitbildern Egoismus, Gier, Geiz, Erfolg, Dividende, Konsum, Rang und Titel ist Jesus eine totale Provokation und die Verkörperung von Menschlichkeit und Barmherzigkeit«, sagte einmal Heiner Geißler, das klügste Mitglied, das die CDU je hatte.

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