Verjährungsfrist verdoppelt
Von Henning von Stoltzenberg
Rund 30 Jahre nach einem fehlgeschlagenen militanten Anschlag in Berlin hat das dortige Kammergericht die beiden noch lebenden Angeklagten zu Haftstrafen von jeweils zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Schuldig gesprochen wurden am Dienstag der 65 Jahre alte Peter Krauth und der 62 Jahre alte Thomas Walter wegen einer »Verabredung zum Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion«. Dem Urteil zufolge hatten sie 1995 versucht, eine Justizvollzugsanstalt in Berlin-Grünau zu sprengen, die zu diesem Zeitpunkt zu einem Abschiebegefängnis umgebaut wurde. Dazu hat sich »Das Komitee« nie bekannt, aber zum Brandanschlag auf das Kreiswehrersatzamt in Bad Freienwalde ein Jahr zuvor.
Zu diesem Zweck schlossen sie sich damals laut den Verfolgungsbehörden mit dem inzwischen verstorbenen Mitstreiter Bernhard Heidbreder als Gruppe zusammen. Mit dem geplanten Anschlag wollten sie laut Anklage Abschiebungen unter anderem von Menschen kurdischer Herkunft in die Türkei verhindern und dadurch den bewaffneten Kampf der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) unterstützen. Die drei Männer wussten demnach, dass sich zum geplanten Zeitpunkt des nächtlichen Anschlages niemand in dem Gebäude aufhalten würde.
Zu dem Anschlag sei es letztlich nicht gekommen, weil eine Polizeistreife zufällig hätte beobachten können, wie die Angeklagten einen Transporter mit Propangasflaschen beluden, die mit einem Sprengstoffgemisch befüllt waren. Daraufhin sei das Trio ohne das Fahrzeug geflohen. Sie hätten unter anderem Personaldokumente zurückgelassen, mit Hilfe derer sie identifiziert werden konnten. Die Männer tauchten unter und flohen aus der BRD, zuletzt nach Venezuela.
Bereits im Juli 2014 war Heidbreder von einem BKA-Zielfahndungskommando in Venezuela entdeckt und daraufhin festgenommen worden. Das von der BRD gestellte Auslieferungsersuchen war rund ein Jahr später durch ein Urteil des höchsten venezolanischen Gerichts TSJ abgelehnt worden. Als Begründung nannte das Gericht, dass die Heidbreder vorgeworfenen Taten in Venezuela längst verjährt seien. Am 16. November 2019 war auch Krauth am Flughafen von El Vigía festgenommen worden und verbrachte einige Zeit in Auslieferungshaft in einem Interpol-Büro in Caracas.
Vor dem Urteil gab es eine Verständigung zwischen Gericht, Bundesanwaltschaft und Verteidigung. Demnach war bei Geständnissen eine Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten bis zu zwei Jahren auf Bewährung vorgesehen. Die Verständigung fand am 20. Februar 2025 statt, während die Angeklagten sich noch im Ausland aufhielten. Gegenüber der Taz, die zuerst über den Vorgang berichtet hatte, erklärte ihr Rechtsanwalt Lukas Theune: »Die Vereinbarung ist, dass sie geständig sind und dafür ein geringes Strafmaß erhalten.«
Am 12. März reisten sie dann in die BRD, wurden von den zuständigen Behörden festgenommen und einen Tag später dem Haftrichter vorgeführt. Sie saßen zunächst in Untersuchungshaft in Berlin-Moabit und wurden am ersten Verhandlungstag, dem 17. März, vorläufig aus der Haft entlassen. An dem Tag wurden auch ihre Geständnisse verlesen.
Das Gericht erklärte nun, dass die Tat noch nicht verjährt sei. Zwar beträgt die Verjährungsfrist normalerweise 20 Jahre, sie wurde aber mehrmals unterbrochen, beispielsweise durch den Erlass der Haftbefehle. Dazu erklärte Krauth Mitte Februar im Gespräch mit dem Lower Class Magazine: »In unserem Fall wurden zwar nicht die Gesetze verändert, aber so umgebogen, dass man aus 20 Jahren Verjährungsfrist 40 Jahre machen konnte.«
Das Gericht hielt den beiden Aktivisten zugute, dass sie sich den deutschen Strafverfolgungsbehörden stellten, nachdem sie in Venezuela politisches Asyl bekommen hatten. Die Auslieferungshaft von Krauth in Venezuela wird auf seine Freiheitsstrafe angerechnet. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, noch kann Revision beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe eingelegt werden.
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