»Ungültig zu wählen ist keine Option«
Interview: Thorben Austen
Ihre Organisation, die Bewegung Pachakutik, hat Anfang April ein »historisches Abkommen« zur Unterstützung der Kandidatin der Partei Revolución Ciudadana, kurz RC, bei der Stichwahl am kommenden Sonntag unterzeichnet. Luisa González tritt gegen den amtierenden Präsidenten Daniel Noboa von der rechten Acción Democrática Nacional, ADN, an. Wie kam es zu diesem Abkommen?
Wir haben die Politik von Daniel Noboa analysiert. Er machte in den 17 Monaten seiner Präsidentschaft nicht nur eine klassisch neoliberale Politik, sondern war auch in diverse Skandale verstrickt. Seine Politik hat einen autoritären, in Teilen diktatorischen Charakter und akzeptiert die aktuelle Verfassung nicht. Mit der Revolución Ciudadana haben wir schon seit August vergangenen Jahres Gespräche geführt, es ging dabei auch um eine Wahlallianz schon für die erste Runde der Wahlen, diese kam aber nicht zustande.
In welchen Punkten konnten Sie sich damals nicht einigen?
Im wesentlichen in zwei Punkten: Wir lehnen erstens Bergbau und die Politik des Extraktivismus, der Ausbeutung unserer natürlichen Ressourcen, grundsätzlich ab. Der zweite Punkt war eine umfassende Reform des Bildungssystems mit Autonomie in der Bildung für die indigenen Völker. Beides wollte die RC so nicht mittragen.
Was ist jetzt anders?
Wir haben in Conaie (Konföderation der Indigenen Nationalitäten Ecuadors, jW) und der Bewegung Pachakutik diskutiert, die als politisches Instrument an Wahlen teilnimmt. Schnell war klar, dass ungültig zu wählen in dieser Situation keine Option ist. Mit Mehrheit entschieden dann Conaie und Pachakutik in Versammlungen, Gonzáles zu unterstützen. Wichtig für uns war, dass uns RC zugesichert hatte, die aktuelle Verfassung nicht anzutasten.
Diese ist von 2008, aus der Amtszeit von Rafael Correa, der ebenfalls RC angehörte, sie kam aber vor allem durch Druck der sozialen Bewegungen zustande. Diese Verfassung enthält viele Punkte wie den Respekt der Rechte der Natur, die uns sehr wichtig und nicht verhandelbar sind. Weiter will sich RC für eine Erhöhung der sozialen Investitionen einsetzen, das unterstützen wir. Es geht bei der aktuellen Allianz um ein Bündnis der Linken mit Kräften der Mitte, RC steht eher in der Mitte, vertritt sozialdemokratische Positionen, wir stehen weiter links.
Daniel Noboa gilt als Unterstützer von US-Präsident Donald Trump. Laut Medieninformationen soll seine Familie über sein Bananenexportunternehmen zudem in den Kokainhandel verstrickt sein. Wie blicken Sie auf die nächsten Jahre, falls er gewinnt?
Tatsächlich mit großer Sorge. Noboa treibt die Bewaffnung der rechten Gruppen voran, in diesem Zusammenhang steht auch das Abkommen mit der US-Söldnerfirma Blackwater. Angeblich dient dies der Bekämpfung der Kriminalität, aber wir sind uns sicher, damit wird die Ermordung von sozialen Aktivisten geplant. Es ist doch die politische Rechte selbst, die mit den Drogenkartellen zum Beispiel aus Kolumbien in Verbindung steht und unser Land in wenigen Jahren vom zweitsichersten Lateinamerikas zum unsichersten gemacht hat. Die Presse hat es richtig aufgegriffen: In den Kisten des Bananenunternehmers Noboa werden nicht nur Bananen, sondern nachweislich auch Kokain exportiert.
Wie setzt sich die Gesellschaft in Ecuador zusammen, und was sind die wichtigsten politischen Akteure?
Gut 50 Prozent der Bevölkerung arbeiten im informellen Sektor, von den etwa 18 Millionen Einwohnern des Landes sind über eine Million Indigene, die überwiegend im Hochland leben. Die indigene, die antiimperialistische und die Umweltschutzbewegungen sind die entscheidenden im Land, die mit der größten Mobilisierungskraft. Die Gewerkschaften sind klein und zersplittert, sie orientieren sich politisch am ehesten am Partido Socialista und an der Unidad Popular; sie haben das Abkommen mit Gonzáles auch unterschrieben, erreichen aber bei Wahlen nur geringe Ergebnisse unter einem Prozent.
César Pilataxi ist Koordinator der indigenen Pachakutik-Bewegung im Landkreis Cayambe im Hochland Ecuadors
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