Der Trump aus Toruń
Von Reinhard Lauterbach, Poznań
Für Sławomir Mentzen fängt der Wahlkampftag um 15 Uhr an. Früher macht er keine Veranstaltungen. Dafür kommen zu seinen Nachmittagsterminen Schüler nach dem Unterricht. Sie dürfen zwar noch nicht wählen, aber das wird ja bald anders sein. Die jungen Leute bekommen Gadgets der Partei »Konföderation« und dürfen Selfies mit Mentzen machen. Der stützt seinen Wahlkampf entscheidend auf soziale Netzwerke und darauf, dass die Leute die Selfies in ihrem Bekanntenkreis weiterreichen und ihm damit kostenlose Werbung bescheren. Mit diesem Stil und einer Mischung aus Marktradikalismus und Nationalismus hat es der Kandidat der rechten Konglomeratpartei »Konföderation« für das Präsidentenamt inzwischen auf Platz drei der Umfragen geschafft. Um die 19 Prozent der Befragten erklären, sie würden am 18. Mai für ihn stimmen. Ob das reicht, in die wahrscheinliche Stichwahl zu kommen, muss sich zeigen. Ausgeschlossen scheint es aber nicht, weil der von der rechten PiS »unterstützte« Karol Nawrocki mit etwa 24 Prozent gerade schwächelt.
Inhaltlich gibt es zwischen Mentzen und Nawrocki kaum Unterschiede. Beide schimpfen auf Migranten und auf Deutschland, das Polen mit dieser Menschengruppe »überschwemme«, nachdem Nochinnenministerin Nancy Faeser die Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze wiedereingeführt hat und Leute aus Nicht-EU-Staaten, die versuchen, über Polen in die BRD einzureisen, wieder zurückschickt. Berühmt geworden ist Mentzen mit der fünffachen Formel aus dem Wahlkampf 2019, dem »Mentzen-Fünfer«. Gefragt, was und wen er in Polen nicht haben wolle, antwortete Mentzen damals: keine Schwulen, keine Juden, keine Steuern, keine Abtreibungen und keine EU. Er hat, anders als der steifleinen auftretende und rhetorisch langweilige Nawrocki, die Gabe der lockeren Rede im Gestus des »Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.« Und wie jeder rechte Politiker redet er seinem Publikum nach dem Mund und verdoppelt das, was sein überwiegend junges Publikum in seinem eigenen Umfeld schon einmal aufgeschnappt hat.
Mentzen, der vor seinem Gang in die Politik in seiner Heimatstadt Toruń eine Steuerberatung und eine Craftbierbrauerei betrieben hat, predigt ökonomisch die Lehre vom unbeschränkten Markt. Das Studium will er kostenpflichtig machen, vielleicht mit Ausnahmen für Ausbildungen, an denen der Staat ein unmittelbares Interesse hat. Gewerkschaften brauche es nicht, da drückten sich nur Funktionäre vor der Arbeit und müssten von den wirklich Arbeitenden mit durchgefüttert werden, karikiert er die Trägheit und Selbstgefälligkeit der zum Anhängsel der PiS gewordenen »Solidarność«. Gegen die Militarisierung Polens hat er nichts, will aber das Geld für die Rüstung »effizient ausgeben« und dafür sorgen, dass mehr Aufträge für polnische Kriegslieferanten herausspringen. Als er vor ein paar Tagen erklärte, auch eine vergewaltigte Frau solle ein so gezeugtes Kind austragen müssen, war die Aufregung auf das linksliberale Lager beschränkt und legte sich schnell wieder. Zwar überwiegen bei seinen Anhängern junge Männer unter 30, aber dass seine Anschauungen abschreckend auf die Frauen wirkten, wäre auch übertrieben.
An Mentzens Wahlkampf fällt auf, dass er vor allem auf die Tusk-Regierung schimpft. Seinen rechten Mitbewerber Nawrocki dagegen schont er in auffälliger Weise. So kann man die These wagen, dass Mentzen und Nawrocki im Grunde rechten Wahlkampf für unterschiedliche Zielgruppen machen: der eine für das traditionelle Elektorat der PiS, die Älteren, der andere für die jüngere Generation. Die gegenseitige Schonung lässt die Option einer künftigen Rechtskoalition zwischen PiS und Konföderation im Sejm offen. Schon bei der Stichwahl am 1. Juni könnte diese Strategie der polnischen Rechten aufgehen, getrennt zu marschieren und vereint zu stimmen. Die Umfragen sagen PiS und Konföderation gemeinsam ein Ergebnis knapp unter 50 Prozent voraus – für eine Mehrheit der Mandate könnte es dann reichen. Jedenfalls ist absehbar, dass Premier Donald Tusk bei einem weiteren rechten Präsidenten politisch einpacken kann.
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