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Aus: Ausgabe vom 12.04.2025, Seite 5 / Inland
Werksschließungen bei Nestlé

Nestlé baut um

Konzern will noch profitabler werden und schließt weitere Werke in BRD. NGG will das nicht hinnehmen
Von Gudrun Giese
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Allein auf die Margen kommt es hier an: Deutschland-Zentrale des Nahrungsmittelriesen in Frankfurt am Main

Der weltweit agierende Schweizer Konzern Nestlé plant weitere Werksschließungen in der Bundesrepublik. Nachdem das Unternehmen viele Jahre lang nur auf Expansionskurs war, heißt das Motto heute »Schrumpfung«.

In den zurückliegenden zwölf Jahren habe Nestlé hierzulande zehn Standorte geschlossen oder an andere Unternehmen abgegeben, sagte vergangene Woche gegenüber der Wirtschaftswoche Andreas Zorn, Gesamtbetriebsratsvorsitzender bei Nestlé Deutschland, Aufsichtsratsmitglied und Betriebsratsvorsitzender am Standort Neuss. Der steht aktuell auf der Schließliste. Wie der Konzern am 20. März bekanntgab, werde das Werk mit rund 150 Beschäftigten ab Mitte 2026 schrittweise geschlossen. Hergestellt werden dort Öl, Mayonnaise und Senf der Marke Thomy, die einst eigenständig war und nach verschiedenen Übernahmen 1971 teilweise und 1989 endgültig an Nestlé fiel. Teile der Neusser Produktion sollen ins Ausland, andere ins Werk im nordrhein-westfälischen Lüdinghausen verlagert werden. »Es ist unerträglich, dass Beschäftigte die Konsequenzen der völlig verfehlten Managementstrategie eines Großkonzerns tragen sollen«, erklärte Beschäftigtenvertreter Zorn nach Bekanntwerden der Schließpläne. Dass der Konzern das Aus dabei mit unterbliebenen Investitionen begründe, sei hochgradig zynisch gegenüber dem Betriebsrat, der seit langem auf notwendige Erneuerungen des Maschinenbestandes hingewiesen hätte, was von Nestlé stets blockiert worden sei.

Auch Ina Korte-Grimberg von der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) bestätigt gegenüber jW die fehlende Investitionsbereitschaft des Konzerns. »Aus den fünfziger Jahren stammende Maschinen wurden vom früheren Thomy-Werk in Karlsruhe nach Neuss gebracht. Und nun ist ihre Verlagerung nach Lüdinghausen geplant!« Seit rund zehn Jahren habe es keine nennenswerten Investitionen in Neuss mehr gegeben. Trotz allem schreibe das Unternehmen nicht etwa rote Zahlen mit der Produktion an diesem Standort. »Aber den Aktionären reicht der Profit nicht«, betont Ina Korte-Grimberg. Belegschaft und Betriebsrat in Neuss seien auf jeden Fall in Rage über die Schließungspläne und würden sie nicht sang- und klanglos hinnehmen. »Wir haben noch einige Aktionen geplant«, so die Gewerkschaftssekretärin.

Neben der Fertigung in Neuss wird Nestlé auch die in Conow im südlichen Mecklenburg-Vorpommern Anfang 2026 einstellen. Dort sind 83 Beschäftigte betroffen. »Nestlé will Werke schließen, obwohl die Umsätze weltweit gestiegen sind«, sagte der NGG-Vorsitzende Guido Zeitler nach Bekanntgabe der Pläne im März. Geschlossen würden die Standorte, um die Gewinne weiter zu steigern, »also aus reiner Profitgier und auf Kosten der Beschäftigten«. Gesamtbetriebsratsvorsitzender Zorn machte klar, wie unverfroren die Nestlé-Erzählung von der alternativlosen Schließung der beiden Standorte sei, angesichts der Tatsache, dass das Aus für Neuss »nun Investitionen in unsere Produkte an anderen Standorten finanzieren soll«. Gegen »dieses absurde Theater eines höchst profitablen Großkonzerns« werde man Widerstand leisten. Das Aus für Neuss und Conow fügt sich allerdings in einen bundesweiten Trend ein: Zwar seien durch die Übernahme von Startups durch Nestlé in jüngerer Vergangenheit fünf neue Standorte hinzugekommen, hieß es in der Wirtschaftswoche. Doch insgesamt sei der Konzern in Deutschland auf Schrumpfungskurs, da die übernommenen Unternehmen viel kleiner sind als die geschlossenen. So habe sich die Beschäftigtenzahl in den zurückliegenden zwölf Jahren hierzulande halbiert. »2014 waren wir in Deutschland circa 12.400 Kolleginnen und Kollegen, 2026 werden es nur noch circa 6.500 sein«, erläuterte Zorn.

Während in Standorte wie Neuss so gut wie gar nicht investiert wurde, baute Nestlé in Osteuropa neueste Technologien auf, wie Tim Lubecki von der NGG erklärte. Das lohne sich für den Konzern, weil die Produktion dort günstiger und so die Margen deutlich höher seien.

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