CGT unter Zugzwang
Von Santiago Stavale, Buenos Aires
Es war der mittlerweile dritte Generalstreik. Der argentinische Gewerkschaftsverband CGT (Central General de Trabajadores) protestierte am Donnerstag mit einem landesweiten Ausstand gegen den Kürzungskurs der Regierung von Präsident Javier Milei. Der Streik war einen Monat im voraus angekündigt worden. Er folgte auf einen Aktionstag mit Massenmobilisierungen am Mittwoch gefolgt, nachdem Arbeiter den CGT lange zu Arbeitskampfmaßnahmen aufgefordert hatten. CGT und Gewerkschaftsverband CTA (Central de Trabajadores de la Argentina) forderten von der Regierung deutliche Rentensteigerungen und freie sowie einheitliche Tarifverhandlungen.
Bereits um Mitternacht stand Argentinien am Donnerstag still. Der Flug- und Zugverkehr, innerstädtische U-Bahnen und Taxis waren durch den Streik lahmgelegt. Die Gewerkschaft der Busfahrer Unión Tranviaria Automotor (UTA) war dem Aufruf allerdings nicht gefolgt, die Straßen durch ihren Verrat am Streiktag nicht leergefegt. Unorganisierte, prekär Beschäftigte konnten sich so nicht am Arbeitskampf beteiligen, da sie ihre Abwesenheit nicht mit einem vollständigen Verkehrsinfarkt begründen konnten. Dass ihre Zahl seit Jahren ansteigt, wurde durch diese Schwachstelle in der Mobilisierung offen sichtbar.
Am Mittwoch waren die wichtigsten argentinischen Gewerkschaften und Organisationen der sozialen Bewegungen vor dem Kongressgebäude in der Hauptstadt Buenos Aires aufmarschiert. Wie üblich sollte der Protestzug der Regierung die Forderungen der Streikbewegung übermitteln. Trotz großen Polizeiaufgebots kam es dabei nicht zu Angriffen oder Zusammenstößen: Nach einigen Stunden hatte sich die Menge wieder friedlich zerstreut, ohne viel Lärm und ohne der Regierung Schaden zuzufügen. Die Kosten des Ausstandes am Donnerstag wurden auf rund 194 Millionen US-Dollar geschätzt.
Der Streik fand beinahe ein Jahr nach der letzten großen Mobilisierung statt und nach monatelanger, im Grunde unerklärlicher Passivität des CGT. Dessen Dialogbereitschaft mit der Regierung stand zuletzt in drastischem Widerspruch zur allgemeinen Lage der argentinischen Arbeiterklasse. Denn die Auswirkungen von Mileis wirtschaftspolitischem Kurs sind weiterhin verheerend. Obwohl die Regierung behauptet, die Inflation erfolgreich zu bekämpfen und verbreitet, die Löhne seien – umgerechnet in US-Dollar – gestiegen, ist die Kaufkraft der Bevölkerung tatsächlich stark gesunken. Stark gestiegene Nebenkosten für Wasser, Gas und Strom belasten Privathaushalte zusätzlich zu den verteuerten Mieten. Nun will die Regierung keine Tarifverhandlungen mehr zulassen, die die im »Antiinflationsprogramm« festgelegten Grenzen von Gehaltserhöhungen (plus ein Prozent!) überschreiten. Eine wirtschaftliche Erholung ist so nicht absehbar.
In den vergangenen Monaten waren die Proteste nicht nur häufiger, sondern auch größer. Besonders sichtbar waren die Demonstrationen armer Rentner und Kundgebungen gegen homophobe Ausfälle von Javier Milei beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Gerade Senioren sind von Mileis »Kettensäge« am stärksten betroffen. Die Rentnerproteste in Begleitung solidarischer Fußballfans waren am 12. März von der Polizei angegriffen worden. Es hatte Straßenkämpfe mit Barrikaden und in Brand gesteckten Polizeiwagen rund um das Kongressgebäude in Buenos Aires gegeben. Hunderte Demonstranten waren zum Teil schwer verletzt worden und viele wurden verhaftet.
Auch hier war der CGT nicht sichtbar, was die Protestierenden auch durch Parolen gegen den »glorreichen« Dachverband zum Ausdruck brachten. So sollte der nun endlich erfolgte Aufruf zum Arbeitskampf vor allem den Druck der Protestbewegung auf die Gewerkschaften verringern. Es deutet zudem darauf hin, dass eine neue Reihe von Kämpfen, sofern sie denn beginnen sollte, nicht vom CGT selbst vorangetrieben werden wird.
Dessen ungeachtet dürfte die Casa Rosada durch den 36stündigen Arbeitskampf nervös geworden sein. Denn der Ausstand kam für die rechtslibertäre Regierung zu einer ganzen Reihe an Problemen hinzu. Mit dem jüngst von US-Präsident Donald Trump entfesselten, weltweiten Handelskrieg hat sie ebenso zu kämpfen wie mit dem Krypto-Skandal und der bislang noch unsicheren Auszahlung eines neuen IWF-Kredits. So war der Streik, all seinen Widersprüchen zum Trotz, ein deutliches Zeichen der wachsenden Unzufriedenheit im Land.
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