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Aus: Ausgabe vom 15.04.2025, Seite 6 / Ausland
Sudan

Miliz zementiert Spaltung

Sudan: RSF nehmen Flüchtlingslager Samsam in Darfur ein. Afrikanische Union und Europäer treffen sich in London
Von Mawuena Martens
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Freude bei den einen, Angst bei den anderen: Streitkräfte beim Einzug in Al-Kalalah (27.3.2025)

Zwei Jahre Krieg und es ist noch immer kein Ende in Sicht. Im Gegenteil: Im Sudan hat die gegen die Armee kämpfende Miliz, die Rapid Support Forces (RSF), das Flüchtlingslager Samsam unter ihre Kontrolle gebracht. Es sei »vollständig« aus der Gewalt der Armee »befreit« und es seien Einheiten in das Camp geschickt worden, um »Zivilisten und humanitäre Helfer zu schützen«, hieß es vonseiten der Paramilitärs am Sonntag laut AFP. Das Lager liegt in der südwestlichen Region Norddarfur. Angaben der Vereinten Nationen zufolge leben dort mittlerweile mehr als 500.000 Binnenvertriebene unter prekärsten Bedingungen.

Bei den jüngsten Kämpfen um Samsam sowie die Stadt Al-Faschir etwas weiter nördlich setzte die Miliz schwere Artillerie ein. Das UN-Büro für humanitäre Angelegenheiten (Ocha) warf ihr am Sonnabend »koordinierte Boden- und Luftangriffe« vor. Angaben über Verletze und Tote variierten. Es sollen jedoch mindestens 100 Zivilisten, darunter 20 Kinder, getötet worden sein. Am Donnerstag war zuerst das Lager Abu Schuk angegriffen worden. Einen Tag später folgten das nahegelegene Samsam sowie die Provinzhauptstadt Al-Faschir. Damit setzt sich fort, was seit Beginn des Krieges am 15. April 2023 beiden Seiten bescheinigt wird: das Begehen von Kriegsverbrechen.

Sowohl die Streitkräfte als auch die Miliz ignorieren das Gebot, Zivilisten von Kampfhandlungen zu verschonen. Die in den USA ansässige Organisation Human Rights Watch legt den von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) unterstützten RSF besonders schwere Verbrechen zur Last. Darunter sexuelle Gewalt in Südkordofan und ethnische »Säuberungsaktionen« in El-Geneina in Darfur. Am vergangenen Donnerstag fand in diesem Zusammenhang vor dem Internationalen Gerichtshof eine erste Anhörung statt. Die sudanesische Militärregierung wirft den VAE »Mittäterschaft beim Völkermord« der RSF sowie alliierter bewaffneter Gruppen gegenüber dem Volk der Masalit in Westdarfur vor.

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Kartenausschnitt: Südlicher Sudan – nicht zu verwechseln mit Südsudan
Dean - Liest Zeitung

Ein weiterer Trend, der sich am Boden zeigt: eine Spaltung des Landes. Konnte die RSF in der ersten Jahreshälfte 2024 Geländegewinne verzeichnen, kommt die Armee unter Abdel Fattah Al-Burhan – unter anderem unterstützt von Saudi-Arabien, Ägypten und seit dem Sommer auch von Russland – mit der Gegenoffensive voran. So eroberten die Streitkräfte Ende März die Hauptstadt Khartoum zurück und vertrieben die gegnerischen Kämpfer auch aus weiter südlich gelegenen Gebieten. Die jüngste Einnahme Samsams stärkt die Zweiteilung, denn mit Ausnahme von Al-Faschir kontrollieren die Miliz sowie mit ihr verbündete Gruppen nun weitestgehend das rohstoffreiche Darfur im Westen des Landes. Die Streitkräfte hingegen sind im Norden und Osten des Landes stark. Die Teilung macht sich auch durch politische Bestrebungen bemerkbar: Im Februar kündigte Al-Burhan eine technokratische Übergangsregierung unter Führung eines zivilen Präsidenten an. Kurz darauf zogen die RSF nach und veröffentlichten eine Charta zur Gründung einer Parallelregierung in den von ihr kontrollierten Gebieten. 2011 hatte sich bereits das ölreiche Südsudan selbstständig gemacht.

Am Dienstag wollen sich einige europäische Staaten, zumindest verbal, um Frieden und Unterstützung bemühen: Die gemeinsame Konferenz von Deutschland, Frankreich, Großbritannien und der Afrikanischen Union in London hat laut eines Sprechers des Auswärtigen Amtes das Ziel, die Lage der Menschen zu verbessern sowie einen »politischen Prozess für eine Deeskalation« einzuleiten. Eine Geberkonferenz für humanitäre Hilfe ist jedoch nicht geplant. Diese ist jedoch dringend nötig. Der Krieg hat eine der größten humanitären Katastrophen des 21. Jahrhunderts ausgelöst. Ein Viertel der Bevölkerung befindet sich auf der Flucht, die Hälfte ist von akutem Hunger bedroht.

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