Streit unter Ärzten
Von Susanne Knütter
Derzeit streiten Mediziner offenbar über die Pläne der künftigen Bundesregierung, ein Primärarztmodell einzuführen. Nicht verwunderlich: die Allgemeinärzte sind dafür, Fachärzte dagegen. Offiziell geht es um bessere Patientensteuerung und kürzere Wartezeiten. Der Sprecher des Bayerischen Fachärzteverbands Klaus Stefan Holler beschwerte sich in der Augsburger Zeitung: Es mache »einfach keinen Sinn, dass ein Patient beispielsweise mit einem Hörsturz, einer gebrochenen Nase oder einem geschwollenen Knie sich primär beim Hausarzt vorstellt und dann erst zum Facharzt kommt«. Viele Patienten wüssten außerdem selbst am besten, wo sie mit welchem Problem am besten aufgehoben sind.
Der Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbands, Wolfgang Ritter, verwies gegenüber der Augsburger Zeitung hingegen vor teils gefährlichen Folgen, wenn Patienten ungesteuert von Facharzt zu Fachärztin laufen: »Wir haben leider ein honorargesteuertes Gesundheitssystem«, und das führe in vielen Bereichen zu medizinisch unnötigen Operationen. Längst hätten sich investorengesteuerte Arztpraxen etabliert, die rein gewinnorientiert Operationen vornehmen, die völlig unnötig seien. Zum Beispiel Augenarztpraxen, die sich beispielsweise auf grauen Star spezialisiert haben. Häufig operierten sie ohne medizinische Notwendigkeit. Augenärzte seien von dem Primärarztmodell allerdings ausgeschlossen, ebenso Ärzte für Vorsorgeuntersuchungen wie z. B. Gynäkologen.
Ein Verbot investorengesteuerter medizinischer Versorgungszentren (iMVZ) hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zwar einmal erwähnt, bisher ist aber nichts geschehen. Die künftige Koalition plane nun, mit Hilfe eines »iMVZ-Regulierungsgesetzes« für mehr Transparenz etwa der Eigentümerstrukturen zu sorgen. Und von »systemgerechter Verwendung der Beitragsmittel« ist die Rede. Beim Branchenportal ZWP online heißt es dazu: Eine stärkere Zulassungsregulierung lasse sich daraus nur schwer entnehmen. »Wie weit das geplante iMVZ-Regulierungsgesetz am Ende gehen wird, lässt sich daher nur schwer prognostizieren. Fakt ist, dass andere Themen im Koalitionsvertrag weitaus größeren Raum einnehmen.«
In München kauften große Laborketten bereits Hausarztsitze auf und Pharmaunternehmen übernähmen onkologische Praxissitze, erläuterte Ritter gegenüber der Augsburger Zeitung weiter. »Hier droht unser aller Tod: Denn es breitet sich eine medizinische Versorgung aus, die nicht mehr den chronisch kranken Menschen begleiten und unterstützen will, sondern ausschließlich gewinnmaximiert behandelt.« Das ist längst der Fall.
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