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Aus: Ausgabe vom 17.04.2025, Seite 10 / Feuilleton
Bildung

Dante raus!

An der Berliner Humboldt-Universität soll die Italianistik Kürzungen zum Opfer fallen
Von Jörg Bellon
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Porträt von Dante Alighieri, historischer Druck aus dem 19. Jahrhundert

Wer den akademischen Betrieb lange genug kennt, für den ist es nicht neu: Wieder einmal stehen extreme Kürzungen an. Vor allem in Berlin verwundert das nicht, wo Millionen für einen Zaun um den Görlitzer Park da sind, an Bildung jedoch gespart wird. Und wieder trifft es die Humboldt-Universität (HU).

Hier soll der ganze Lehrbereich der Italianistik am Institut für Romanistik eingestampft werden, weil es sich anbietet, da beide Lehrstühle vakant sind. Diese sollen nun ganz wegfallen mitsamt den dazugehörigen Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter, Assistenten, Doktoranden, Post-Docs etc. Mit einem Handstreich der Verwaltung verschwinden Literatur und Kultur Italiens, die Sprache Dantes, Leopardis, Pasolinis e tutti quanti von der Universität. Selbst die Intervention der italienischen Regierung durch ihren Botschafter in Berlin zeigte keine Wirkung: Das Gespräch zwischen ihm und der HU-Präsidentin verlief ergebnislos. Auch der Protest der Studierenden interessiert nicht.

Warum gerade die Italianistik? Schlechte Statistiken: Die Absolventenquote liegt bei lediglich zwölf Prozent, die Abbrecherquote bei 88 Prozent; die Studierendenzahlen sind im Keller. Es fragt sich, wie man sehenden Auges das Fach so gegen die Wand fahren konnte. Die Gründe: Besetzung von Stellen mit unfähigen Karrieristen, fehlende Inhalte sowie eine Institutsleitung, die sich der Realität verweigerte.

Auf einer Sitzung des Akademischen Senats im Dezember 2024 gab es vorerst Entwarnung. Trotz pauschaler »Minderausgaben« (ein netter Euphemismus!) von acht Prozent, also einem »strukturellen Defizit in den kommenden Jahren von durchschnittlich ca. 8,7 Millionen Euro pro Jahr« (davon 6,2 Millionen im akademischen Bereich, was 25 Professuren entspricht) stehe nun die »W1-Professur zur einmaligen Besetzung zur Verfügung«, die W2-Professur falle weg: Die HU bange um ihren Status als Volluniversität und fürchte Kollateralschäden für die gesamte Romanistik. Auch der Studiengang »Europäische Literaturwissenschaft« nähme Schaden. Wie das Problem allerdings zu lösen sei, weiß man immer noch nicht: Kosmetik an der Studienordnung reicht nicht. Doch wo sollen an einer »Universität in Dummheit« (so ein Buchtitel) Inhalte herkommen, die Strahlkraft entwickeln und den Geist wieder in die Geisteswissenschaften zurückbringen könnten?

Für die Fahrradstaffel der Polizei ist allerdings das Geld da.

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