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Aus: Ausgabe vom 17.04.2025, Seite 11 / Feuilleton
Film

Nostalgie progressiv

Immer wieder freitags: »Life of Brian« gucken
Von Felix Bartels
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Always look on the left side of life

Im Rotzalter fanden wir es lustig, »Life of Brian« am Karfreitag zu gucken. Wegen Zeigeverbot und so. Aus dem Alter wächst man raus. Mittlerweile schauen wir ihn das ganze Jahr, drei- bis viermal. In der Tat gehört er neben Lubitschs »To Be or Not to Be« zu den wenigen unsterblichen, nahezu fehlerlosen Komödien der Filmgeschichte. Berücksichtigt man das Chaos, unter dem er produziert wurde, mithin, dass vieles von dem, was so tief durchdacht scheint, weil es tief durchdacht ist, erst am Set improvisiert wurde, mutet das Ergebnis fast unverschämt gelungen an.

Die Skandalgeschichte zwischen orthodoxen Atheisten und orthodoxen Christen verdeckt den eigentlichen Coup dieses Films. »Life of Brian« erschien 1979 und ist ganz offensichtlich eine Karikatur der Neuen Linken. Wenn Brian vor seinen Anhängern flieht und die Szene bildsprachlich das Delta der Schulen veranschaulicht, deren eine der Sandale, deren andere Flasche folgt, geht das natürlich auf die Strömungen des Christentums anzuwenden, doch ebenso auf den Streit der linken Schulen. In der Massenszene adressiert Brian seine Hörer: Ihr seid alle verschieden! Die Menge im Chor: Wir sind alle verschieden! Eine einzelne Stimme fällt hinein: Ich nicht! Der Widerspruch zwischen Sprechakt und Inhalt des Gesprochenen wird sinnfällig und markiert zugleich die Zweck-Mittel-Dialektik fortschrittlicher Bewegungen.

Die größte Leistung des Films ist die Karikatur irrationaler Momente in der Linken, die zur Zeit seiner Entstehung noch nicht waren, sondern erst wurden. Die Was-haben-die-Römer-je-für-uns-getan-Szene wischt elegant den gesamten postkolonialen Ansatz weg, ruft vielmehr den originären Marx auf, der zwischen der Grausamkeit des Kolonialismus und seiner historischen Stellung als ursprüngliche Akkumulation nachholende Produktivkraft zu unterscheiden wusste. Ein Jahr vor dem Release war Edward Saids »Orientalism« erschienen, zu kurz der Abstand, dass man den Film als Antwort darauf sehen könnte, die er dennoch ist. Die Stan-Loretta-Szene schließlich legt die Wirrungen der Transgenderbewegung frei. Die Aktivisten einigen sich auf Stans Recht, Babys zu bekommen, obwohl er als Mann keine Babys bekommen kann. Auch das, lange bevor jene Unterscheidungsschwäche bei Geschlecht und Geschlechtsidentität, die uns dieser Tage beschäftigt hält, auf die Tagesordnung gebracht war. Beide Szenen können lehrreich sein, wenn einem daran liegt, den Kampf für die Selbstbestimmung nicht mit dem Leugnen wissenschaftlicher Erkenntnisse zu verwechseln.

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