Roter Teppich und Proteste
Von Thomas Berger
Straßenproteste hier, ein roter Teppich da: Selten hat ein Staatsgast in Indien so zwiespältige Reaktionen hervorgerufen wie US-Vizepräsident J. D. Vance. Am Montag ist er gelandet, gleich vier Tage hält er sich auf – begleitet von seiner indischstämmigen Ehefrau Usha und den drei Kindern Mirabel, Vivek und Ewan. Der wichtigste Teil neben sonst eher touristischen Programmpunkten war sein Zusammentreffen mit Premierminister Narendra Modi am Montag abend. Über konkrete Gesprächsinhalte drang nichts nach außen. Aber ein Thema dominierte zweifellos – die von US-Präsident Donald Trump verhängten Strafzölle, die auch Indien schwer treffen. Zwar sind sie derzeit bis zum 9. Juli vorläufig ausgesetzt. Doch die indische Regierung will eine Scharfschaltung nach Fristablauf mit dem Abschluss eines neuen Handelsabkommens unbedingt umgehen. Das kommt US-Präsident Donald Trump entgegen, der »Amerika wieder groß machen« will, dabei auch »diskriminierende« Handelsbedingungen im Visier hat und mit seinem Zickzackkurs genau darauf setzt, auf erpresserische Weise »Deals« zu erreichen. Im Fall Indien lag das US-Handelsbilanzdefizit zuletzt bei 46 Milliarden Dollar.
Anders etwa als Beijing und die EU in Brüssel hat Neu-Delhi von Gegenmaßnahmen zu den neuen Zöllen bisher abgesehen. Zum einen sind die 26 Prozent – die derzeit auf pauschale zehn Prozent abgesenkt sind – weit weniger, als sie etwa China mit gleich 145 Prozent treffen. Zum anderen will man den Dialog über das neue Abkommen nicht gefährden. Noch im Wahlkampf hatte Trump Indiens Handelsbedingungen als besonders nachteilig für die USA angeprangert. Modi war dann am 13. Februar einer der ersten Staatsgäste im Weißen Haus – und bekanntermaßen stimmt die Chemie zwischen ihm und Trump. Von »signifikanten Fortschritten« hin zu einem Vertrag war denn auch nach dem Gespräch zwischen Modi und Vance die Rede.
Nun fürchten vor allem die Bauern, das geplante Abkommen könnte zu ihren Lasten ausfallen. Parolen gegen den Vance-Besuch wie »Indien steht nicht zum Verkauf!« waren am Montag bei Protesten an vielen Orten zu hören. Schon drei Tage vorab hatte sich die kommunistische All India Kisan Sabha, einer der größten Bauernverbände, mit einem kritischen Statement zu Wort gemeldet. »Der Premierminister hat vor dem Diktat von US-Präsident Trump kapituliert und setzt seine Pläne fort, Zollschranken für US-Produkte auch im landwirtschaftlichen Bereich abzubauen«, zitierte Peoples Dispatch daraus.
Tatsächlich ist der bisher stark geschützte Agrarsektor einer der Knackpunkte. Zwar sind Dreiviertel der US-Importe nach Indien mit maximal fünf Prozent Zöllen belegt, so Ajay Srivastava, Gründer des Thinktanks Global Trade Research Institute (GTRI), gegenüber der BBC. Aber es gibt einige Ausnahmen. Die mehrheitlich kleinbäuerliche Landwirtschaft könnte starken Schaden nehmen, sollten Hemmnisse für US-Importe wegfallen. Seit Jahren gibt es ohnehin machtvolle Bauernproteste, um der Politik garantierte Mindestabnahmepreise für diverse Produkte abzuringen. Selbst die konservativen Zahlen des National Crime Record Bureau (NCRB) sprechen von 112.000 Farmersuiziden allein in den vergangenen zehn Jahren. Andere, wie eine Analyse der Punjab Agricultural University, halten die Zahl noch für weit höher.
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