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Aus: Ausgabe vom 24.04.2025, Seite 3 / Ausland
Papst Franziskus

Volksnaher Pontifex maximus

Er geißelte den Kapitalismus, doch großen Reformen in der Kirche widersetzte er sich. Am Montag ist Papst Franziskus gestorben
Von Bernhard Krebs
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Gläubige in Buenos Aires passieren auf dem Weg zum Gedenkgottesdienst ein Wandgemälde mit einem Bildnis des Papstes (22.4.2025)

Die Unterschiede zum zurückgetretenen Papst Benedikt XVI. waren für alle sogleich offensichtlich: Anders als der Theologieprofessor Josef Ratzinger aus Bayern suchte das neue Oberhaupt von 1,4 Milliarden Katholiken die Nähe von Menschen, sprach in einfachen Sätzen und pfiff auf Äußerlichkeiten. In einem schlichten weißen Gewand trat der frisch zum Papst gewählte Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio, an einem verregneten Mittwoch abend im März 2013 auf den Balkon des Petersdoms und grüßte die Welt mit einem freundlichen: »Fratelli e sorelle, buonasera« (Brüder und Schwestern, guten Abend).
Gute zwölf Jahre dauerte das Pontifikat des am 17. Dezember 1936 in Buenos Aires in eine italienische Einwandererfamilie geborenen Bergoglio, der der allererste Lateinamerikaner auf dem Heiligen Stuhl war. Er war auch der erste Jesuit und der erste, der sich den Namen Franziskus gab — eine Reminiszenz an Franz von Assisi, den Gründer des Bettelordens der Franziskaner. Auch damit machte er deutlich, dass er ein Papst der Armen, der Arbeiter, der Schwachen, der Vergessenen und Vertriebenen sein wollte. In der Interpretation des Papstamtes pendelte Franziskus dann aber zwischen fast schon schockierender Fortschrittlichkeit für einen Pontifex maximus und klassisch-katholischem Konservatismus beständig hin und her. Am Ostermontag verstarb Franziskus im Alter von 88 Jahren an einem Schlaganfall. Auf eigenen Wunsch wird er nicht im Petersdom, sondern in seiner römischen Lieblingskirche Santa Maria Maggiore beerdigt. Wie der Vatikan am Dienstag mitteilte, soll die Beisetzung am Sonnabend stattfinden.

Gleich die erste Reise von Franziskus stellte ein Ausrufezeichen dar und führte ihn auf die Mittelmeerinsel Lampedusa. Das Mittelmeer, in dem bis heute so viele Menschen auf dem Weg in eine vermeintlich bessere Zukunft elendig ersaufen, nannte Franziskus den »größten Friedhof Europas«. Seine letzte große Reise führte ihn noch im Herbst 2024 bis nach Papua-Neuguinea, einem der ärmsten Länder der Welt. Franziskus veröffentlichte auch die erste Umwelt-Enzyklika der Kirchengeschichte, »Laudato Si«, im Jahr 2015. In ihr prangerte er die Ausbeutung des Planeten für einen Papst ungewöhnlich scharf an. Einer von Franziskus’ Leitsätzen lautete: »Diese Wirtschaft tötet!« — aus dem Mund eines Pontifex Maximus eine Parole wie ein Hammerschlag.

Und immer wieder mahnte er Frieden und Abrüstung an. Noch am Ostersonntag hatte er, bei seinem letzten öffentlichen und von Krankheit geschwächten Auftritt, den Segen »Urbi et orbi« (der Stadt und dem Erdkreis) vor Tausenden Gläubigen auf dem Petersplatz in Rom gespendet. Das Verlesen seiner Osterbotschaft, in der er besonders an das Schicksal der Palästinenser in Gaza erinnerte, überließ er einem seiner Kardinäle. Anschließend wurde er unter dem Jubel der Gläubigen im offenen Papamobil über den Petersplatz gefahren.

Die Kirche forderte Franziskus immer wieder heraus: So waren bei seiner Wahl die über Jahrzehnte vertuschten Fälle sexualisierter Gewalt in vielen Bistümern bereits ein großes Thema. Franziskus beklagte auch immer wieder die Unbeweglichkeit der katholischen Kirche öffentlich, was ihm in der Kurie, dem römischen Machtapparat, nicht nur Freunde einbrachte. Kritik handelte er sich aber auch von fortschrittlichen Kräften ein. Zwar ließ er die Segnung homosexueller Paare zu, eine Lockerung des Zölibats oder die Priesterweihe für Frauen waren mit ihm aber nicht machbar. Besonders in Deutschland war die Enttäuschung nicht selten groß, zumal Franziskus den Reformprozess »Synodaler Weg« als mehr oder weniger »protestantisch« abkanzelte: »Es gibt eine sehr gute evangelische Kirche in Deutschland. Wir brauchen nicht zwei.« Bei Themen wie Abtreibung und Verhütung erwies sich Franziskus selbst als Hardliner: Abtreibung war für ihn »Mord«, Verhütung allenfalls in Ausnahmefällen zulässig. Zur Verhinderung von sexueller Gewalt durch Kleriker erließ er schärfere Maßnahmen, an deren Umsetzung hakt es jedoch bis dato. Die Koordinaten der Weltkirche verschob Franziskus dennoch, indem er ihr eine synodale Verfassung gab, er Befugnisse in gewissem Umfang von Rom an die Kirchen vor Ort übertrug und Frauen in Leitungsfunktionen der Kirche berief. Mit seinen Personalentscheidungen nahm Franziskus auch großen Einfluss auf das Gremium der Kardinäle, die nun den nächsten Papst wählen werden. Bei Neuernennungen ignorierte er vielfach Bischöfe aus den alten Machtzentren und berief lieber Geistliche wie ihn, die »vom anderen Ende der Welt« stammen. Dennoch gilt in dem kommenden Konklave der Italiener Pietro Parolin aus der Nähe von Venedig als einer der Topfavoriten auf das Papstamt. Parolin ist seit mehr als zehn Jahren die Nummer zwei im Vatikan und führte an der Seite von Franziskus dessen Amtsgeschäfte. Chancen bei der Wahl durch die 137 wahlberechtigten Kardinäle kann sich auch Pierbattista Pizzaballa, Patriarch von Jerusalem und höchster Vertreter der katholischen Kirche im Heiligen Land machen. Der frühere Erzbischof von Manila, Luis Antonio Tagle, gilt ebenfalls als aussichtsreicher Kandidat und könnte der erste Papst aus Asien werden. Wie Franziskus setzt auch Tagle sich für eine Kirche an der Seite der Armen ein, ist aber auch strikt gegen Abtreibungen und Empfängnisverhütung. Fridolin Ambongo Besungu, Erzbischof von Kinshasa, gilt als aussichtsreicher Kandidat aus Afrika und wäre bei einer Wahl der erste »schwarze Papst«. Besungu gilt aber als konservativ, wie auch Péter Erdő, Erzbischof von Esztergom-Budapest, dem ebenfalls Chancen ausgerechnet werden.

(…) Ich wünschte, wir könnten wieder zurückfinden zu der Hoffnung, dass Frieden möglich ist! Vom Heiligen Grab in der Auferstehungskirche aus, wo Katholiken und Orthodoxe dieses Jahr am selben Tag Ostern feiern, möge das Licht des Friedens ausstrahlen über das gesamte Heilige Land und die ganze Welt. Den leidenden Christen in Palästina und Israel wie dem gesamten israelischen und palästinensischen Volk bekunde ich meine Nähe. Das wachsende Klima des Antisemitismus, das sich in der ganzen Welt ausbreitet, ist besorgniserregend. Gleichzeitig sind meine Gedanken bei den Menschen und insbesondere bei der christlichen Gemeinde im Gazastreifen, wo der schreckliche Konflikt weiterhin Tod und Zerstörung bringt und eine dramatische und unwürdige humanitäre Situation verursacht. Ich appelliere an die Kriegsparteien, das Feuer einzustellen, die Geiseln freizulassen und den Menschen zu helfen, die hungern und sich nach einer friedlichen Zukunft sehnen! (…)

Möge der auferstandene Christus der gepeinigten Ukraine das österliche Geschenk des Friedens zuteilwerden lassen und alle Beteiligten ermutigen, ihre Bemühungen um einen gerechten und dauerhaften Frieden fortzusetzen. (…)

Es kann keinen Frieden geben ohne echte Abrüstung! Der Anspruch eines jeden Volkes, für seine eigene Verteidigung zu sorgen, darf nicht zu einem allgemeinen Wettrüsten führen. (…)

Ich appelliere an alle, die in der Welt politische Verantwortung tragen, nicht der Logik der Angst nachzugeben, die verschlossen macht, sondern die verfügbaren Ressourcen zu nutzen, um den Bedürftigen zu helfen, den Hunger zu bekämpfen und Initiativen zu fördern, die die Entwicklung vorantreiben. Die »Waffen« des Friedens sind diejenigen, die Zukunft schaffen, anstatt Tod zu säen! (…) Und in diesem heiligen Jahr mag das Osterfest zudem ein passender Anlass sein, Kriegsgefangene und politische Gefangene freizulassen! (…)

Quelle: Vatikan News

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