»20 Euro pro Quadratmeter sind normal geworden«
Interview: Dieter Reinisch, Wien
In der österreichischen Bundeshauptstadt werden am Sonntag neben dem Landtag auch Gemeinde- und Bezirksräte gewählt. Warum kandidiert die Partei der Arbeit dazu mit der Listenbezeichnung »Wiener Proletariat«?
Es geht vorrangig darum, unsere politischen Positionen einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren und mit dem Alltag der Menschen zu verbinden. Wir gehen mit zwei Themen in den Wahlkampf: Teuerungen und Militarisierung. Beides sind die zentralen Probleme in Österreich. Bei den Bezirkswahlen wollen wir darstellen, wie diese beiden Themen auch die Menschen im Bezirk direkt treffen. Alles wird teurer, vor allem die Mieten, die sich die Menschen immer weniger leisten können. Dies zu lösen, hängt aber mit einem Systemwandel zusammen. Im Kapitalismus bestimmen alles die Reichen. Eine tatsächliche Änderung der Situation wird nur möglich sein, wenn es Enteignungen gibt.
Wie wirken sich in Wien die Teuerungen aus?
Man spürt sie vor allem über die Preise von Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs, die enorm steigen. In Wien gibt es die Gemeindebauten, die immer in den Himmel gelobt werden, aber dennoch gibt es auch hier ein großes Teuerungsproblem. Die Gemeindewohnungen sind etwas günstigere Alternativen, aber bei allen anderen Wohnungen explodieren die Preise. 20 Euro pro Quadratmeter sind normal geworden, und das führt dazu, dass viele Menschen ein Drittel bis die Hälfte ihres Einkommens für Wohnraum ausgeben müssen. Die Gehälter gehen da nicht mit; die Gewerkschaften haben es nicht geschafft, im Rahmen der Sozialpartnerschaft Gehaltserhöhungen zu verhandeln, die die Inflation ausgleichen.
Was ist Ihre Antwort, um dagegen vorzugehen?
»Abkassierer enteignen«, steht auf unseren Plakaten. Das ist eine große Forderung, die im Rahmen der Bezirksvertretung nicht entschieden werden kann, das ist uns klar. Aber wir wollen diesen Zusammenhang aufzeigen. Selbstverständlich gibt es einige Maßnahmen, die jetzt umgesetzt werden können, um die Teuerungen zu lindern: eine wäre der Mietpreisdeckel oder Mietenstopps. Die Sozialdemokratie hat derartige Schlagwörter auch in ihrem Repertoire. Dies wird dann im Gemeindebau eingeführt, aber nicht flächendeckend. Wichtig wäre für alle Mieter, flächendeckend Mietdeckel einzuführen.
Ihr zweites Thema ist die Militarisierung. Was hat diese mit einer Bezirkswahl zu tun?
Die Frage von Krieg und Frieden betrifft auch die Leute in der Nachbarschaft und im Bezirk. Wenn es zum Krieg kommt, sind es die Menschen von hier, die direkt betroffen sein werden. Aber auch wenn wir nicht so pessimistisch sind: Es werden um mehrere Milliarden Euro neue Panzer gekauft, und dieses Geld wird dann auf kommunaler Ebene gestrichen. Diese Themen an die Öffentlichkeit zu bringen, ist unser Anspruch. Die Kriegsausgaben werden mit Kürzungen bei den Sozialhaushalten gegenfinanziert.
Auch durch die neue Außenministerin, Beate Meinl-Reisinger von den liberalen Neos, wird über die Beibehaltung der Neutralität Österreichs debattiert. Wie ist Ihre Position in der Frage?
Die Neutralität ist etwas, das wir hochhalten möchten. In den aktuellen Auseinandersetzungen stellt sich der österreichische Staat immer auf eine Seite. Dem möchten wir uns entgegenstellen. So etwa bei der Frage nach Waffenlieferungen im aktuellen Russland-Ukraine-Krieg, die wir ablehnen. Ebenso lehnen wir ab, dass über österreichisches Gebiet US-Waffen transportiert werden.
Wir können gar nicht sagen, dass wir für die Beibehaltung der Neutralität sind, da sie schon völlig ausgehöhlt ist. Aber im Zusammenhang mit der aktuellen Kriegstreiberei ist sie ein Instrument, sich dem entgegenzustellen und sich nicht mitschuldig zu machen. Man darf sich aber nicht auf dem Standpunkt der Neutralität ausruhen. Etwa im Nahostkonflikt, wo den Palästinensern das Selbstbestimmungsrecht verweigert wird, kann man nicht neutral sein.
Max Facchin ist Lehrer und Spitzenkandidat der Partei der Arbeit bei den Bezirksvertretungswahlen im 15. Wiener Gemeindebezirk Rudolfsheim-Fünfhaus
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