Gegründet 1947 Freitag, 25. April 2025, Nr. 96
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 25.04.2025, Seite 2 / Inland
Berufsverbote in der BRD

»Dobrindt wird den Blick nach links richten«

Mit einem CSU-Innenminister droht eine Welle neuer Berufsverbote. Ein Gespräch mit Werner Siebler
Interview: Gitta Düperthal
Fortsetzung_der_Koal_85613630.jpg
Mit ihm an der Spitze des BMI dürfte sich vor allem der Ton verschärfen: Alexander Dobrindt (CSU) in Berlin (8.4.2025)

Mit dem CSU-Politiker Alexander Dobrindt als möglichem neuen Innenminister drohe die Gefahr bayerischer Verhältnisse in der ganzen Republik, warnen Sie. Müssten dann Menschen vermehrt Berufsverbote befürchten?

Ja. CDU und SPD haben im Koalitionsvertrag für den Umgang mit sogenannten Verfassungsfeinden »Nulltoleranz« verabredet; zwar folgt die übliche Aufzählung: Rechtsextremismus, Islamismus und Linksextremismus. Aber wir ehemals Betroffene des Radikalenerlasses der 1970er Jahre wissen aus Erfahrung, wer gemeint ist. Wir erinnern uns an die Rede des mutmaßlich künftigen Kanzlers Friedrich Merz vor der Bundestagswahl, gegen wen er Politik machen will: gegen »grüne und linke Spinner«. »Links ist vorbei«, sagte er. In Bayern testet man das bereits aus. So zitierte die bayerische Landesregierung als vermeintlichen Beweis für die verfassungsfeindliche Haltung von Benjamin Ruß dessen Meinungsäußerung für ein erweitertes Streikrecht und seine Kritik an der inneren Militarisierung durch das dortige Polizeiaufgabengesetz. Es gilt deshalb, den Kampf zur Verteidigung demokratischer Grundrechte verstärkt zu führen.

Was ist neu daran?

Die alte Regierung hat saubere Vorarbeit geleistet. Das Gesetz zur Beschleunigung von Disziplinarverfahren in der Bundesverwaltung und anderer Verfahren ist seit 2024 in Kraft. Behörden können Disziplinarmaßnahmen durch einen Verwaltungsakt aussprechen. Gerichte werden zuvor nicht mehr gefragt. SPD-Innenministerin Nancy Faeser behauptete, so gegen Faschisten vorgehen zu wollen. Ich wüsste aber nicht, dass einer der Polizisten entlassen worden wäre, die in Chats den Hitlergruß zelebrierten oder einen rechten Umsturz argumentativ vorbereiteten. Allenfalls wurde mal einer versetzt. Es handele sich bloß um der Öffentlichkeit nicht zugängliche Foren, wurde das entschuldigt. Da war die Verfassungstreue offenbar nicht von großer Bedeutung. Der Verfassungsschutz versucht aber ständig, Grenzen zu verschieben, was von links kritisiert werden darf: Wer gegen den Kapitalismus ist, ist Verfassungsfeind. Obgleich das Bundesverfassungsgericht formulierte: Das Grundgesetz enthalte »keine unmittelbare Festlegung und Gewährleistung einer bestimmten Wirtschaftsordnung«.

Welche Gefahr geht aus Ihrer Sicht von einer möglichen CDU/SPD-Regierung aus?

Zum Beispiel soll der Paragraph der Volksverhetzung verschärft werden. Wer im Wiederholungsfall dabei tätig wird, soll das aktive Wahlrecht verlieren. Durch diesen Koalitionsvertrag zieht sich ein roter Faden: Freiheitsrechte werden beschränkt und rechtsstaatliche Errungenschaften abgebaut. Zwar heißt es im Vertrag nicht, dass das im Fall der Kriegsvorbereitung relevant sein könnte. Bei Betroffenen von Berufsverboten läuten aber sämtliche Alarmglocken. Zumal, wenn man das mögliche politische Personal dazu betrachtet. Dass der Innenminister aus Bayern kommen soll, ist ja kein Zufall. Dabei wäre es angesichts einer erstarkenden faschistischen Partei (gemeint ist die AfD, jW) wichtig, demokratische Institutionen nachhaltig zu schützen: nicht, wie es der Koalitionsvertrag teilweise vorsieht, Polizei und Verfassungsschutz noch mehr Befugnisse zu gewähren.

Können Sie auf die Gewerkschaften setzen?

Bei unserer Veranstaltung mit DGB, Verdi und GEW in Freiburg am 11. April kamen Fragen auf: Müssen wir uns überlegen, ob wir noch zu Demos oder Friedensaktionen gehen können? Ist das vielleicht gewollt? Wir kritisieren den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst: Voraussetzung für die Übernahme ist, dass keine personen-, verhaltens-, betriebsbedingten oder gesetzlichen Gründe entgegenstehen. Während der gesamten Ausbildungs- oder Studiendauer dürfe kein Zweifel am Bekenntnis zur »freiheitlich-demokratischen Grundordnung« bestehen. Ein eventueller Innenminister Dobrindt wird da den Blick nach links richten.

Ihr Fazit?

Führende Gewerkschafter bejubeln oft das 500-Milliarden-Euro-Paket für Infrastruktur als Erfolg. Dieses könnte aber etwa für Kriegsvorbereitungen ausgegeben werden, statt für nachhaltiges und soziales Leben für Bürgerinnen und Bürger. Viele Genossinnen und Genossen sind an unserer Seite, wir müssen aber auch innerhalb der Gewerkschaften Aufklärung leisten.

Werner Siebler ist Sprecher des Bundesarbeitsausschusses der Initiativen gegen Berufsverbote und für die Verteidigung der demokratischen Grundrechte

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • Hart erkämpft vor mehr als 100 Jahren: Die tägliche Arbeitszeit ...
    11.04.2025

    Achtstundentag angezählt

    Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD als »Wunschzettel der Industrie«. Kritik der Gewerkschaften fällt verhalten aus
  • Am Sonntag heißt es wieder: Stifte raus und den Bundestag legiti...
    21.02.2025

    Migration im Mittelpunkt

    Bayern: Vor der Bundestagswahl sind CSU und AfD in Umfragen stärkste Parteien. Linke erfreut über steigende Mitgliederzahlen. Austritte beim BSW

Regio: