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Aus: Ausgabe vom 26.04.2025, Seite 8 / Inland
Heraus zum 1. Mai in Leipzig

»Wir lassen uns Solidarität nicht verbieten«

Bündnis hinter Revolutionärer 1.-Mai-Demo in Leipzig fordert Entwaffnung des Kapitalismus. Ein Gespräch mit Miriam Pfeffer
Interview: Henning von Stoltzenberg
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Für Generalstreik und soziale Sicherheit: Block der Revolutionären 1.-Mai-Demo in Leipzig (1.5.2024)

Mit diesem Jahr veranstaltet Ihr Bündnis bereits zum vierten Mal eine Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration in Leipzig. Wird der Zuspruch spürbar größer?

Auf jeden Fall. Die Mobilisierung für unsere Demonstration entwickelt sich dynamisch. Das sehen wir in Leipzig an den steigenden Teilnehmerzahlen, aber auch deutschlandweit. Und das vor dem Hintergrund, dass die aktuelle Politik und deren Widersprüche eben die gesamte Arbeiterklasse treffen. Die wachsende Unzufriedenheit und die Ängste der Menschen sind sichtbar und spürbar. Die Verschärfung der sozialen Ungerechtigkeit, militärischer Konflikte und die spürbare Klimakrise treiben die Menschen auf die Straße – sie suchen nach alternativen Perspektiven, die ihnen dieses System nicht bieten wird.

Ihr Ziel ist es, am 1. Mai eine gemeinsame Perspektive jenseits des Kapitalismus auf die Straße zu bringen. Was verstehen Sie darunter?

Konkret heißt das für uns, eine Alternative aufzuzeigen, die es nur jenseits des bestehenden Systems geben wird. Dafür müssen wir uns organisieren, für eine wirklich solidarische Praxis, für Antimilitarismus und gegen Imperialismus. Das sind die Themen, die die aktuelle Krise aufwirft, die uns alle etwas angeht und die wir gemeinsam bekämpfen müssen. Besonders am 1. Mai treten wir in die Fußstapfen von Millionen Arbeiterinnen und Arbeitern, die im Laufe der Geschichte immer und immer wieder für eine Gesellschaft jenseits von Armut, Krieg, Faschismus und Patriarchat gekämpft haben.

Wer sind aus Ihrer Sicht die Kriegstreiber, die Sie laut Ihrem Demomotto entwaffnen wollen?

Zu den Kriegstreibern zählen für uns nicht nur die Regierungen und Konzerne, die von der aktuellen Rüstungsindustrie und Kriegstreiberei profitieren, sondern auch eine Politik, die soziale Kürzungen an erster Stelle setzt und die Eingriffe in die demokratischen Rechte vorantreibt, um gesellschaftliche Stimmungen einzuhegen. Dazu kommen Kriegstreiber wie Boris Pistorius oder Friedrich Merz, die mit ihrer Rhetorik ganz klar eine »kriegstüchtige« Gesellschaft schaffen wollen.

Wir wehren uns gegen die gefährliche Normalisierung von Kriegslogik und die Verschleierung der realen Tatsachen, die den deutschen Staat zur Kriegsvorbereitung zwingen. »Entwaffnung« steht für uns also nicht nur für einen Stopp der Waffenlieferungen in Kriegsgebiete, sondern auch eine ideologische und politische Entwaffnung des Kapitalismus, der diese Kriege hervorbringt.

Inwiefern kooperieren Sie mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund, der am 1. Mai auch eine Veranstaltung abhalten wird?

Viele der Organisationen des Revolutionären 1.-Mai-Bündnisses werden sich an der Demonstration des DGB auf jeden Fall solidarisch beteiligen. Das heißt jedoch keinesfalls, dass wir uns ohne jegliche Kritik an dessen Politik zeigen werden. Eher sehen wir diese Demonstration als Anlass, auch dort unsere Perspektive zum Ausdruck zu bringen, die Menschen vor Ort zu bewegen und die DGB-Veranstaltung mit politischem Inhalt zu füllen. Die Entwicklung der aktuellen Verhandlungen des TVöD kommt einem Reallohnverlust gleich. Das lassen wir nicht unkommentiert.

Befürchten Sie Provokationen oder Repressalien?

Mit unserer Demonstration stehen wir auf der Seite der Solidarität. Provokationen und Repressionen sind in der aktuellen Lage genau die Mittel, die der Staat nutzt, um fortschrittliche Bewegungen einzuschüchtern. Mediale Kampagnen, polizeiliche Auflagen und Überwachung sind wir gewohnt.

Welche Kampagnen, Auflagen und Überwachung meinen Sie?

Im vergangenen Jahr haben wir das beispielsweise gesehen, als der Internationalistische Block der Demo wegen angeblicher »verbotener Parolen« mit Bezug auf den palästinensischen Befreiungskampf gestoppt wurde. Ebenso gab es Repressionen gegen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die Pyrotechnik eingesetzt haben. Wir demonstrieren so, wie wir wollen, und lassen uns erst recht nicht unsere internationale Solidarität mit den Unterdrückten weltweit verbieten. Am Ende vertrauen wir auf unsere eigene Kraft und Selbstorganisation.

Miriam Pfeffer ist Pressesprecherin des Revolutionären 1.-Mai-Bündnisses in Leipzig

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