Gegründet 1947 Sa. / So., 26. / 27. April 2025, Nr. 97
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 26.04.2025, Seite 8 / Inland
Dokumentiert

Liedermacher Wenzel protestiert gegen Umschreibung der Geschichte

imago137375973.jpg
Hans-Eckardt Wenzel

Der Liedermacher Hans-Eckardt Wenzel protestiert mit einem zuerst von der Berliner Zeitung veröffentlichten offenen Brief an den Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und Leiter der Gedenkstätte Sachsenhausen, Axel Drecoll, gegen die Ausladung russischer Vertreter bei den Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Sachsenhausen:

Sehr geehrter Prof. Dr. Axel Drecoll,

mit Entsetzen entnahm ich der Presse, dass Sie die russischen Vertreter für die Feierlichkeiten zur Befreiung des KZ Sachsenhausen ausgeladen haben bzw. ihnen den Zutritt zum Festakt verweigern. Die allgemeine Ideologie einer »wertebasierten Außenpolitik« treibt wahrhaft kriegstüchtige Blüten. Mein Freund und langjähriger Wegbegleiter, der Komponist Eberhard Schmidt, war Insasse in Ihrem Lager. Seine Erfahrungen haben mich tief geprägt. Der Regisseur Konrad Wolf, damals Soldat der Sowjetarmee, war an der Befreiung des Konzentrationslagers beteiligt und hat diesem Moment in seinem Film »Ich war neunzehn« ein eindrückliches Denkmal gesetzt. Schauen Sie sich diesen Film doch einmal an! Er wird von einer großen Menschlichkeit getragen und beschreibt genau in diesen Augenblicken, da das ganze Grauen der Nazizeit sichtbar wird, dass nicht Rache oder Rechthaberei die dunklen Stellen der Zeit zu entmachten vermögen, sondern Größe und Menschlichkeit. Die Schrecken, die Unmenschlichkeit, ja der Zynismus der deutschen Faschisten waren beispiellos und sind durch nichts anderes beendet worden als durch den Einsatz der sowjetischen Soldaten und Offiziere.

Wollen Sie diese Geschichte umschreiben und uns selbst zu den Befreiern umdeuten? Wollen Sie Grundlagen des Humanismus politischen Winkelzügen und Selbstermächtigungen opfern? An was wollen Sie erinnern, wenn Sie diesen Ort des Schreckens seiner Geschichte berauben? Auch wenn Sie mit dem Verlauf der deutschen Geschichte nicht einverstanden sind, ändert das nichts an den Tatsachen. Sie wurden als Direktor für die Erinnerungskultur berufen. Folgen Sie dieser Berufung!

Hans-Eckardt Wenzel

Der Aktionskreis »80. Jahrestag der Befreiung« ruft für den 3. Mai zu einer Kundgebung in Berlin auf:

Am 3. Mai lädt die Initiative »80. Jahrestag der Befreiung. Wir sagen danke!« zu einer politisch-kulturellen Kundgebung von 14 bis 16.30 Uhr am Sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Tiergarten ein. Dank, so Christiane Reymann für die Initiative, verbinde sich mit dem Ziel einer europäischen Friedensordnung: »Wir schauen dem Einsturz des europäischen Hauses nicht tatenlos zu. Wir bauen Brücken der Verständigung und guten Nachbarschaft auch und gerade nach Russland.«

Dafür werden zehn Rednerinnen und Redner und zehn Musiker, einzeln oder in Ensembles, werben. Unter ihnen Egon Krenz, letzter Regierungschef der DDR, Alexander von Bismarck, Großneffe des Reichskanzlers, oder die Journalistin und Autorin Gabriele Krone-Schmalz (…).

Der DGB ruft für den 1. Mai zu Kundgebungen und Demonstrationen in Berlin und Brandenburg auf:

»Gute Arbeit, eine stabile Wirtschaft und soziale Sicherheit – dafür setzen wir uns als Gewerkschaften ein«, erklärt Katja Karger, Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg: »Wie hart das alles erkämpft und verteidigt werden muss, erleben wir jedes Jahr aufs neue. Doch dieses Jahr ist eines der Richtungsentscheidungen: Mit klugen Investitionen können Wirtschaftsstandort, Innovationskraft und Zukunftsfähigkeit der Region gesichert und ausgebaut, Jobs erhalten und neue geschaffen werden. Kurzsichtige Entscheidungen hingegen setzen all dies aufs Spiel. Deshalb geht es uns gerade in diesem Jahr nicht nur um gute Löhne und Arbeitsbedingungen, sondern auch um gute Rahmenbedingungen, die die Politik für die Beschäftigten schafft – eine stärkere Tarifbindung, höhere Mindestlöhne, mehr und bessere Ausbildungsplätze, verlässliche soziale Sicherungssysteme und beste Bildungschancen für alle in Berlin und Brandenburg.«

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • Zumutung für »Zeitenwende«-Politiker: Der russische Botschafter ...
    19.04.2025

    Die nationale Dimension

    Botschafter aus Russland und Belarus bei Gedenkveranstaltung des Bundestages zum Kriegsende nicht erwünscht
  • Mit dem Gemälde »Auf dem Segler«, das der spätere Zar Nikolaus I...
    15.04.2025

    Russlands Hilfe

    In der Sankt Petersburger Eremitage ging am vergangenen Wochenende eine große Jubiläumsausstellung zu Caspar David Friedrich zu Ende
  • Soldaten der Roten Armee in Berlin (Mai 1945)
    16.08.2021

    Drei Dörfer

    Die Sicht von Mahnenden: Erika Schwarz und Gerhard Schwarz haben erstmals Kriegstagebücher der Roten Armee auf dem Weg nach Berlin ausgewertet