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Aus: Ausgabe vom 28.04.2025, Seite 1 / Titel
Ukraine-Krieg

Angeblich gesprächsbereit

Trump macht Druck, Selenskij und Putin erklären Bereitschaft zu Verhandlungen ohne Vorbedingungen
Von Reinhard Lauterbach
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Politische Ikonographie der erratischen Diplomatie. Trump trifft Selenskij anlässlich der Beisetzung von Franziskus

An diesem Wochenende haben sowohl Russland als auch die Ukraine ihre Verhandlungsbereitschaft beteuert. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij ließ nach einem Treffen mit US-Präsident Donald Trump in Rom ausrichten, die Ukraine sei zu einer bedingungslosen Waffenruhe bereit. Er hatte dort am Rande der Trauerfeier für den verstorbenen Papst Franziskus 15 Minuten unter vier Augen mit Trump gesprochen. In Moskau sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow, auch Russlands Präsident Wladimir Putin sei zu Verhandlungen ohne Vorbedingungen bereit. Wenn sich das bestätigt, hätte Russland auf zwei Argumente verzichtet, die es bisher als Hindernisse für Verhandlungen vorbrachte: erstens die angebliche Illegitimität von Wolodimir Selenskij wegen des Überschreitens seiner regulären Amtszeit, zweitens die Forderung, die Ukraine müsse zuvor ein Gesetz von 2022 wieder aufheben, das direkte Gespräche mit Russland verbietet. Zuvor hatte Trump einen Text veröffentlicht, worin er Zweifel an der russischen Friedensbereitschaft und dem Interesse Moskaus an einer Beendigung der Feindseligkeiten äußerte. Er könne auch anders mit Russland umgehen als bisher, schrieb der US-Präsident abschließend.

Selenskij traf sich auch mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem britischen Premierminister Keir Starmer. Er nannte seine Gespräche im Vatikan »produktiv«. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der ebenfalls in Rom war, aber zu den Gesprächen offenbar nicht hinzugebeten worden war, warnte vor zu großen Hoffnungen in eine »Beerdigungsdiplomatie«.

Unterdessen hat Russland offiziell die vollständige Rückeroberung der im vergangenen August von ukrainischen Truppen eroberten Teile des Kursker Gebiets bekanntgegeben. Später wurde diese Aussage des Generalstabschefs Waleri Gerassimow relativiert: Es gebe noch einzelne ukrai­nische Soldaten, die sich in Wäldern und »verlassenen Schuppen« im Grenzgebiet versteckten. Ihre Vertreibung sei aber eine Frage der Zeit. Russland räumte auch erstmals offiziell ein, dass die eigene Armee in den Kämpfen im Kursker Gebiet von Soldaten aus Nordkorea unterstützt wurde. Gerassimow lobte deren Professionalität und Mut. Bisher hatte Russland zu ukrainischen Meldungen über den Einsatz von Nordkoreanern keine Stellung genommen.

Unabhängig von ihrer erklärten Bereitschaft zu einer Waffenruhe ohne Vorbedingungen setzt die Ukraine eine Anschlagsserie in Russland und den besetzten Gebieten der Ostukraine fort. Am Wochenende erlag ein russischer General seinen bei der Explosion einer Autobombe erlittenen Verletzungen. Gleichzeitig wurde bekannt, dass schon vor einigen Tagen der Chefingenieur einer russischen Fabrik für Geräte zur elektronischen Kriegführung auf ähnliche Weise getötet wurde. Aus dem an Russland angeschlossenen ukrainischen Gebiet Lugansk meldete sich eine proukrainische »Partisanengruppe« zu Wort und bekannte sich zu einem Anschlag auf eine Bahnlinie in Staniza Luganskaja. Sie werde für den russischen Nachschub genutzt.

In der Nacht zum Sonntag griffen russische Drohnen Ziele vor allem in den Gebieten Odessa, Donezk und Dnipropetrowsk an. Getroffen wurde neben dem Bahnhof von Slawjansk und Wohnvierteln in Pawlograd, wo ein Mann ums Leben kam, auch eine Rinderfarm. Dort wurden nach ukrainischen Angaben 500 Stück Großvieh Opfer russischer Drohnen.

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