Gegründet 1947 Dienstag, 29. April 2025, Nr. 99
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 29.04.2025, Seite 2 / Inland
Revolutionärer 1. Mai

»Wir organisieren Protest und keinen Krawall«

Berlin: Die »Revolutionäre 1.-Mai-Demo« findet auch in diesem Jahr am Kampftag der Arbeiterklasse statt. Ein Gespräch mit Rosa Hikmet
Interview: Max Grigutsch
imago470518230.jpg
Ein wichtiger Bezugspunkt für viele Linke: Die »Revolutionäre 1.-Mai-Demo« in Berlin (1.5.2024)

Die »Revolutionäre 1.-Mai-Demo« in Berlin passt sich jedes Jahr den Bedingungen an, unter denen sie stattfindet. In welchem Zeichen steht der diesjährige Aufruf?

Unter verschiedenen Zeichen. Wir arbeiten in dem Bündnis mit ganz verschiedenen Gruppen der linken Bewegung zusammen. Der Frontblock steht unter dem Zeichen von Krieg und Antimilitarismus. Aber es gibt noch diverse andere Blöcke, einen zum Feminismus, einen gegen Rassismus, einen gegen Verdrängung und einen kulturpolitischen Block; es wird auch einen explizit sozialistischen Block geben. Wie in der Presse schon viel zitiert, haben wir auch einen Antifa- und Antirepressionsblock, der Daniela Klette als Rednerin eingeladen hat.

Die Demo beginnt am Berliner Südstern. Vorher wird es dort ein Konzert geben?

Das Konzert wird vom Bund der Kommunist:innen organisiert und beginnt um 15:30 Uhr mit bisher sechs Acts. Ab 17:30 Uhr gibt es Reden vom Bündnis, dann wollen wir pünktlich um 18 Uhr loslaufen.

Kürzlich unkte eine in Berlin erscheinende Zeitung, mit einem Fokus auf Außenpolitik habe sich die Demo von klassisch linken Themen abgewandt. Was ist davon zu halten?

Wahrscheinlich hätte jemand Rudi Dutschke mal sagen sollen, dass Außenpolitik nichts mit links sein zu tun hat. Dann hätten sie den Vietnamkongress abgeblasen. Auch wir wollen nicht, dass Deutschland Kriege in der ganzen Welt unterstützt und mitführt. Das ist Außenpolitik, aber auch Innenpolitik: Um Kriege zu führen, muss ordentlich gespart werden – irgendwer muss den Spaß ja bezahlen. Das sind wir, unsere Kinder und wahrscheinlich unsere Enkel und Urenkel. Das ist nicht das einzige Thema. Unsere komplette Demo ist mehrheitlich innenpolitisch. Aber Deutschland ist eben nicht nur zu Hause ein Schwein, sondern auch im Rest der Welt.

Die Polizei warnt wie üblich vor Gewalt im Zusammenhang mit der Demo. In den vergangenen Jahren haben Beobachter aber vor allem Gewalt durch die Polizei dokumentiert. Wie bereitet man sich darauf vor?

Grundsätzlich organisieren wir einen politischen Protest und keinen Krawall. Wir haben vor, diese Demonstration von Anfang bis Ende geordnet und strukturiert zu laufen und unsere Positionen auf die Straße zu tragen. Ob und wie die Polizei uns da angreift, können wir nicht beeinflussen. Zuletzt wurden wir ordentlich zusammengeschlagen. Aber wir lassen uns nicht einschüchtern.

Eine Kritik an der Demo ist seit langer Zeit, dass sie eine zwar sichtbare, aber völlig isolierte Szeneveranstaltung sei. Was wird unternommen, um Menschen zu erreichen, die nicht sowieso schon Teil der organisierten Linken sind?

Ein erster Schritt wurde dieses Jahr damit gemacht, dass die Leute vom »Rave against the Zaun« gegen die Umzäunung des Görlitzer Parks eine Zubringerdemo zu uns machen und sich dann als kulturpolitischer Block anschließen. Für die Zukunft ist auf jeden Fall geplant, wieder mit Gewerkschaften ins Gespräch zu kommen. Aktuell ist es aber noch relativ schwierig, Leute jenseits der radikalen Linken auf diese Demo zu bekommen.

Am Morgen des 1. Mai findet auch die jährliche Demo des Deutschen Gewerkschaftsbundes statt. Gibt es da Kontakt?

Von den jeweiligen Organisationen gehen auch Leute auf die DGB-Demo. Als Bündnis gibt es keinen Kontakt. Aber es ist eher das Ziel, die Beschäftigten weg vom kompromissbereiten Reformismus der Gewerkschaften und hin zu unserer Demo zu agitieren, die ihrerseits dann tatsächlich revolutionär wird und nicht mehr nur eine Szene ist.

Welchen Stellenwert wird das Thema Palästina auf der Demo einnehmen? Gerade das wird ja medial angegriffen.

Palästina und der israelische Krieg gegen die Palästinenser werden definitiv eine Rolle spielen. Es wird nicht das Kernthema sein. Die Medienhetze zu dem Thema betrifft nicht nur uns, sondern alle. Wir sind mittlerweile an einem Punkt angekommen, an dem man nicht mehr von Meinungsfreiheit reden kann. Aber wir werden einen Genozid einen Genozid nennen, und wir werden ein Staatssystem, in dem verschiedene Bürger verschiedene Rechte haben, »Apartheid« nennen. So ist es im internationalen Recht festgelegt. Wenn deutsche Medien das Antisemitismus nennen, dann müssen sie es mit der Charta der Vereinten Nationen aufnehmen und nicht mit uns.

Rosa Hikmet ist Presseperson des Bündnisses, das die »Revolutionäre 1.-Mai-Demo« organisiert

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • Der »klassenkämpferische Block« wurde von den Ordnern des DGB me...
    04.05.2024

    DGB kontra Klassenkampf

    DGB Berlin-Brandenburg ließ Ordner auf 1.-Mai-Demonstration mit Polizei gegen palästinasolidarische Gewerkschafter vorgehen
  • Ein bisschen Klassenkampf: Teilnehmer der Demo in Berlin-Grunewa...
    02.05.2024

    Konsequente Entpolitisierung

    Maikundgebungen in Deutschland: Konflikte am Rande von Berliner DGB-Demo. Linke Demo in Stuttgart aufgelöst
  • Schön rot: Rauminstallationen von Antti Pussinen
    08.05.2023

    Die Nelken welken

    Antti Pussinens Trauerarbeit »2. Mai« im Berliner Projektraum »Walden«

Regio:

Mehr aus: Inland