Reiche statt CDA
Von Kristian Stemmler
Der Bundesausschuss der CDU hat am Montag nachmittag den zwischen Union und SPD ausgehandelten Koalitionsvertrag gebilligt. Das war eine reine Formsache; trotz einer seit Wochen beschworenen angeblichen Unzufriedenheit der CDU-Basis rechnete im Vorfeld niemand mit einem gegenteiligen Ergebnis. Für mehr Diskussionen sorgte die ebenfalls am Montag veröffentlichte Liste der zehn Politiker, die CDU und CSU als Minister in das künftige »schwarz-rote« Kabinett schicken wollen.
Dabei fällt vor allem eine besondere Nähe zur »Wirtschaft« auf – so soll der Manager Karsten Wildenberger, Vorstandschef der Handelskette Media Markt/Saturn, das neue Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung übernehmen. Die neue Wirtschaftsministerin, die aus der Brandenburger CDU hervorgegangene Katherina Reiche, war zuletzt Chefin der Eon-Tochter Westenergie. Diese auffallende Schlagseite monierte sogar der Vorsitzende des CDU-»Arbeitnehmerflügels« CDA, Dennis Radtke. Er hatte feststellen müssen, dass kein CDA-Mitglied unter den neuen Ministern ist. Er finde es »befremdlich und falsch, dass kein Vertreter der christlich-sozialen Wurzel unserer Partei Teil des Kabinetts ist – das hat es von Adenauer bis Merkel nie gegeben«.
Abgezeichnet hatte sich, dass der schleswig-holsteinische CDU-Politiker Johann Wadephul statt des zunächst favorisierten Armin Laschet Außenminister werden soll. Wadephul war in der vergangenen Legislaturperiode als Fraktionsvize für den Bereich Auswärtiges zuständig. Erwartbar war auch, dass Thorsten Frei, bisher parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion und enger Vertrauter des künftigen Regierungschefs Friedrich Merz, das Kanzleramt übernimmt.
Bundesinnenminister soll Alexander Dobrindt werden, bisher Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Von ihm ist eine Verschärfung der repressiven Linie etwa gegen die palästinasolidarische Bewegung zu erwarten. Die designierte Gesundheitsministerin Nina Warken ist auf diesem Themenfeld bisher wenig in Erscheinung getreten. Die Juristin ist seit 2021 eine der Geschäftsführerinnen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Wenig Profil hat auch Patrick Schnieder, den Merz zum Verkehrsminister machen will. Auch er ist Jurist und seit 2018 ein Geschäftsführer der Unionsfraktion. Landwirtschaftsminister wird der niederbayerische CSU-Bundestagsabgeordnete Alois Rainer, ein gelernter Metzgermeister. Er ist nur die zweite Wahl für CSU-Chef Markus Söder. Dessen Favorit, der bayerische Bauernpräsident Günther Felßner, hatte sich kurz nach der Bundestagswahl nach Protesten von Umwelt- und Tierschützern aus dem Rennen zurückgezogen. Die zu einem Ministerium zusammengelegten Ressorts Bildung und Familie soll Karin Prien übernehmen, auch sie Juristin und seit 2017 schleswig-holsteinische Bildungsministerin. Als neuer Kulturstaatsminister ist der rechtsliberale Verleger und Publizist Wolfram Weimer vorgesehen.
Wenig begeistert war neben anderen die Linkspartei von der Ministerliste. Das Kabinett werde, »soweit wir das sehen können, ein Sammelbecken von Wald- und Wiesenpolitikern und von abgehalfterten Managern und Lobbyistinnen«, erklärte die Kovorsitzende Ines Schwerdtner. Die Ministerriege stehe »für Sozialabbau, für Aufrüstung und den weiteren Ausverkauf dieses Landes«. Reiche sei aus der Politik in die Energiewirtschaft gewechselt und werde nun mit einem Ministeramt belohnt. Ihr Beispiel zeige, »wie problematisch der Drehtüreffekt von der Politik in die Wirtschaft sein kann«, meinte Schwerdtner. Die Berufung des »ultrakonservativen« Verlegers Wolfram Weimer zum Kulturstaatsminister sei ebenfalls »in jedem Fall keine gute Lösung«.
Auch die Organisation Lobby Control erklärte, mit Reiche werde »eine Energieunternehmerin zur Energieministerin gemacht«. Sie werde sich »in ihrer neuen Position kaum aus allen Entscheidungen zurückhalten können«, die ihren jetzigen »Arbeitgeber« beträfen. Mit Wildberger werde »nicht nur ein Unternehmer, sondern auch ein Top-Lobbyist zum Minister gemacht«. Dieser sei Vizepräsident des mächtigen Lobbyverbands HDE und »vertritt damit die Interessen von Konzernen wie Aldi, Lidl und Amazon«.
Die SPD will die Namen ihrer sieben Minister am Montag bekanntgeben. Die Parteispitze will das Ergebnis des Mitgliederentscheids über den Koalitionsvertrag abwarten, das am Mittwoch feststehen soll.
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