Erfolgreich aufgeholt
Von Jörg Tiedjen
Mit diesem Ergebnis hatte vor einigen Wochen noch niemand gerechnet. Doch am Ende konnte es kaum mehr überraschen: Als Sieger bei den Parlamentswahlen in Kanada am Montag behauptete sich erneut die Liberale Partei. Nach Vorliegen der Ergebnisse aus 99 Prozent aller Wahlkreise am Dienstag morgen entfielen auf sie 43,5 Prozent der Stimmen. Mit 41,4 Prozent deutlich dahinter liegt die Konservative Partei, die lange in Umfragen geführt hatte. 29 Millionen Menschen waren zu dem Urnengang in dem zweitgrößten Flächenstaat der Welt mit seinen 40 Millionen Einwohnern aufgerufen. Die Wahlbeteiligung lag nach amtlichen Angaben bei 66,9 Prozent und damit ähnlich hoch wie bei früheren Abstimmungen.
Als Wahlsieger muss sich der amtierende Premierminister und liberale Parteichef Mark Carney nun einen Koalitionspartner suchen. Da neben Liberalen und Konservativen nur noch drei Kleinparteien im Parlament vertreten sind, ist die Auswahl nicht groß. In Frage kommen der regionale Bloc Québécois, der 23 Sitze errang, oder die sozialdemokratische Neue Demokratische Partei, die als der große Wahlverlierer gelten kann und nur noch auf sieben Mandate kam. Die Grünen stellen einen Abgeordneten, die konservative People’s Party büßte ihr Mandat ein. Zwei kommunistische Parteien traten an, doch entfielen auf sie nur einige tausend Stimmen.
Ein Wahlsieg der Liberalen Partei schien vor wenigen Wochen noch unwahrscheinlich. Ende vergangenen Jahres war Carneys Vorgänger im Amt des Regierungs- und liberalen Parteichefs, Justin Trudeau, in Schwierigkeiten geraten: Die Wirtschaft stagnierte, unter diversen Skandalen hatte sein Ansehen ohnenhin gelitten. Schließlich warfen gleich mehrere Mitglieder seiner Regierung das Handtuch, da offensichtlich das Vertrauensverhältnis belastet war, darunter seine Stellvertreterin Chrystia Freeland. Im März schließlich zog Trudeau die Konsequenz. Um einem erneuten Misstrauensvotum zuvorzukommen, übergab er die Regierungsgeschäfte und den Parteivorsitz an den 60jährigen ehemaligen Zentralbankdirektor Carney.
Waren die Prognosen für die Liberalen, die das Land immer wieder regiert haben, zunächst denkbar ungünstig, kam ihnen jedoch Donald Trump mit seinen Zöllen auf kanadische Einfuhren und nicht zuletzt seinen Drohungen zu Hilfe, Kanada zu annektieren. Sogar am Wahltag selbst konnte Trump sich nicht enthalten, von dem nördlichen Nachbarn als dem »51. Bundesstaat der USA« zu reden. Zwar forderte ihn der konservative Parteichef Pierre Poilievre sogleich auf, seine Einmischung in kanadische Angelegenheiten zu unterlassen. Doch offensichtlich traute eine Mehrheit der Wähler Carney eher zu, dem Republikaner im Weißen Haus Paroli zu bieten – zumal Poilievre im Wahlkampf ganz ähnlich »populistische« Töne angestimmt hatte wie Trump und sich zum Beispiel gegen »woke« Politik verwahrte. Mit dem Ergebnis, dass er nun seinen Parlamentssitz verloren hat.
Wahlsieger Carney mahnte am Dienstag in Ottawa, dass Kanada sich auf »schwierige Monate« einzustellen habe. Zugleich gab er sich aber zuversichtlich, dass der Handelskrieg mit den USA gewonnen werde. »Wir sind über den Schock des amerikanischen Verrats hinweg, aber wir sollten die Lektionen niemals vergessen«, sagte der alte und wahrscheinlich neue Premierminister. »Unsere einstige Beziehung zu den USA ist beendet«, weil »Präsident Trump versucht, uns zu brechen, um uns zu besitzen«. Seit dem als historisch empfundenen Bruch mit den USA deutet sich an, dass Kanada sich vermehrt der EU und anderen Außenhandelspartnern zuwendet.
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