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Aus: Ausgabe vom 27.06.2015, Seite 16 / Aktion

Schlamassel in London: Die »Zivilisation« von ganz unten gesehen

Von Niklas Pollaczek
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Ist das ein Krimi? Irgendwie schon. Aber vor allem ist »Lady Bag« ein grandioses gelungenes literarisches Experiment. Unterhaltung trifft auf Gesellschaftskritik und das auf hohem Niveau. Die Icherzählerin dieses Werks ist eine traumatisierte, ständig zugedröhnte und dabei richtig taffe Obdachlose. Die Sozialkritik des Buches wird nie kitschig. Liza Cody begegnet ihrer Protagonistin mit Respekt und lässt ihr bei aller Verpeiltheit ihre Würde. »Lady Bag« zeigt uns London von unten. Die Protagonistin begegnet zu Beginn der Geschichte ihrem persönlichen Teufel, dem Ex, der sie um Schönheit und Obdach gebracht hat. Nachdem sie beschlossen hat, ihren Dämon zu verfolgen, wacht sie besoffen und blutverschmiert in einem fremden Haus auf, in dem die Bullen eine entstellte Frauenleiche finden werden. Sie gerät von einem Schlamassel in den nächsten. Ermitteln muss in diesem Krimi vor allem der Leser selbst, denn der muss sich im Wirrwarr von Deliriumszuständen, aufschlussreichen Dialogen der Protagonistin mit ihrem mitdenkenden Hund und knallharten Reflexionen zurechtfinden. Die »Frau mit dem Koffer« gibt Einsichten in unsere »zivilisierte« Gesellschaft aus einer Perspektive von ganz unten, und sie sieht deshalb Dinge, die andere nicht sehen. Eines wird klar: Menschen sind oft genauso Scheiße wie das System, in dem sie leben. Und trotzdem oder gerade deshalb ist das Buch ein Lesevergnügen mit viel Action und groteskem, bitterbösem Witz.

Liza Cody: Lady Bag. Argument Verlag, Hamburg 2014, 317 Seiten, 17 Euro

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