Keine Gerechtigkeit auf dem Platz
Von Samuel StuhlpfarrerNicht erst seit der Farce um die jüngsten WM-Vergaben der FIFA und durch die eigentümliche Praxis ihres mittlerweile zurückgetretenen Präsidenten Joseph Blatter steht fest: Fußball, das ist heute zumindest bei internationalen Turnieren – die eben erst zu Ende gegangene Frauenfußball-WM mal ausgenommen – und in den obersten Spielklassen zunächst eines: ein Geschäft.
Lange vor Wirtschaftsmagnaten wie Roman Abramowitsch, Dietmar Hopp oder Dietrich Mateschitz entdeckte der französische Unternehmer Bernard Tapie dieses Feld für sich. 1986 übernahm er Olympique Marseille, führte den südfranzösischen Traditionsverein zu fünf Meistertiteln und 1993 zum Sieg im Endspiel der Champions League. Da war viel Geld im Spiel (auch schwarzes), mithin Doping, jedenfalls auch Bestechung und reichlich Profit. Den letzten Meistertitel im Jahr 1993 verlor OM aufgrund einer aufgedeckten Spielmanipulation. Der illustre Tapie wurde gesperrt, später auch verurteilt. Gleichzeitig haute ihn die französische Großbank Credit Lyonnais beim Verkauf seiner Mehrheitsanteile an adidas übers Ohr. Nicht ohne Hilfe potenter Politiker. Seit 2011 wird in diesem Zusammenhang etwa gegen Christine Lagarde ermittelt, die heutige Chefin des IWF.
Klingt nach einem Stoff für Dominique Manotti. Schon 1998 hat die ehemalige Gewerkschafterin und Wirtschaftshistorikerin, die sich erst mit 50 Jahren aufs Schreiben verlegte, mit »Kop« die Affäre »OM-VA« rund um Bernard Tapie verarbeitet. Vor wenigen Wochen erschien nun die deutsche Übersetzung in der verdienstreichen Ariadne-Reihe des Hamburger Argument-Verlags.
Gewohnt behende macht Manotti die Handlung in »Abpfiff« auf. An einem Morgen im Mai des Jahres 1990 wird Romero, ein Drogenfahnder aus dem Team Théo Daquins, mitsamt seiner Begleiterin auf offener Straße erschossen. Daquin nimmt den Mord an Romero persönlich, ermittelten die beiden doch schon in Manottis Erstling »Hartes Pflaster« und wenig später in »Zügellos« gemeinsam. Innerhalb weniger Stunden konstruiert er einen Drogenhintergrund, um sich so die Ermittlungsleitung zu sichern und schließt seine Erhebungen konzentriert und kontrolliert nach sechs Tagen ab. Am Ende steht dann freilich mehr als bloß der Mord an seinem Mitarbeiter und dessen Begleiterin – ein Sumpf aus Korruption, Geldwäsche, Doping und Spielmanipulationen rund um den fiktiven französischen Erstligaklub FC Lisle-sur-Seine aus der gleichnamigen ebenso fiktiven Pariser Banlieue.
Manotti erzählt knapp, präzise und temporeich – nicht ganz so meisterhaft kinematographisch vielleicht, wie in ihren jüngeren Romanen »Letzte Schicht« und »Die ehrenwerte Gesellschaft« – aber gewohnt hart und desillusioniert. Gerechtigkeit gibt es weder auf dem Platz, noch abseits davon. Die Niederlage der einen lässt bloß die nächsten an die Tröge rücken. Und die größten Schweine sind am Ende immer fein raus. Die Welt bleibt schlecht bei Manotti. Das ist es, was die Französin neben dem Briten David Peace zur wohl spannendsten Noir-Autorin unserer Zeit macht.
Dominique Manotti: Abpfiff. Argument-Verlag, Hamburg 2015, 240 Seiten, 17 Euro
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