Koma im Container
Von Rüdiger GöbelDie Bild-Verwurstungsmaschine läuft seit Wochen, seit Freitag ist der »Sommerdschungel« auch im Privatfernsehen. In der RTL-Show »Ich bin ein Star – Lasst mich wieder rein!« kämpfen die C- und D-Promis des Landes um den Einzug ins »richtige« Camp im australischen Dschungel Anfang 2016. Der Boulevard freut sich über Futter: Schlagersänger Michael Wendler hat sich während der Aufzeichnungen bei einem Stunt die Hand gebrochen, Moderator Carsten Spengemann von Nadja Abd El Farrag alias »Naddel« eine Rippenprellung verpasst bekommen. Und auch Christina »Mausi« Lugner hat sich verletzt – mit einer Feile beim simulierten Ausbruch aus einem Knastimitat (»es hat höllisch weh getan und irrsinnig lange geblutet«).
Immerhin, ganz so schlimm wie bei »Kashtata«, auf deutsch »Das Haus«, der bulgarischen Version von »Big Brother«, geht es im deutschen Kommerz-TV nicht zu. Die Containershow steht im Zentrum des Krimis »Koma-Prinzessin« von Bogdan B. Rusev. Die Kulisse: Bulgariens Hauptstadt Sofia, flotte Wagen, reiche Männer und schöne Frauen. Dazu Kokspartys in »Gated Communities«, bullige Schläger und ein erfolgloser, aber nicht unsympathischer Detektiv. Der soll einen skurrilen Fall übernehmen, und das bitte diskret: Das attraktive Starlett Nicoletta wird im »Haus« fast vor laufenden Kameras, aber im einzigen toten Winkel der ganzen Blackbox, ins Koma geprügelt. War einer ihrer Mitinsassen der Brutaloschläger? Wenn nicht, wer ist wann und wie unerkannt in die abgeschottete Showroomzone gekommen? Der junge Privatermittler Niki Valkov soll die Fragen vor dem großen Finale klären, die Polizei bis auf weiteres erst mal außen vor bleiben. Zu viel Geld steht im Fall einer vorzeitigen Absetzung der Sendung auf dem Spiel. Denn das Trashformat »Kashtata« mit dauerbeobachteten Möchtegernwichtigen, kostenpflichtigen Telefonanrufen und immer wiederkehrenden Werbeblöcken verspricht den Produzenten fette Gewinne. Und damit sind wir wie wieder beim »Dschungel« und Wendlers verletzter Hand, verwurstet von Bild auf Seite eins.
Bodgan B. Rusev: Koma-Prinzessin. Louisoder-Verlag, München 2015, 278 Seiten, 19,90 Euro
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
In der Serie jW-Krimisommer
:
Die Serie zum Aktionsabo für die heiße Jahreszeit
Mehr aus: Aktion
-
Nervöser Nazi-V-Mann
vom 01.08.2015