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Aus: Ausgabe vom 19.06.2024, Seite 10 / Feuilleton
Kino

Abrisscrew Pubertät

»Alles steht Kopf 2«: Die Entwicklung der pubertären Eishockeypersönlichkeit
Von Peer Schmitt
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»Embarrassment«, »Anxiety« und »Envy« am Schaltpult und »Ennui« auf dem Sofa der Persönlichkeit

Am Ende von »Alles steht Kopf« (2015) wird im psychischen Apparat der noch 11jährigen Riley ein ominöser Knopf erwähnt, auf dem steht »Pubertät«. Das ist zum einen wohl eine heimliche Warnung: Böses steht an (das Chaos der Hormone), zum anderen ein dezenter Hinweis, dass Fortsetzung folgen wird. Pixar/Disney ließen sich großzügige neun Jahre Zeit für »Alles steht Kopf 2«. In der diegetischen Realität sind derweil nur zwei Jahre vergangen. Riley ist 13, kommt bald auf die Highschool, die Pubertät klopft an die Tür. In Gestalt einer »wrecking crew«, die prächtig abräumt in der Schaltzentrale. Die ganze, den ersten Film über mühselig aufgebaute, schön abgerundete Kinderpersönlichkeit (»I’m a good person«) wandert auf den inneren Bauschutthaufen. Alarmzustand.

Das Lustprinzip – »Joy« – landet vorläufig auf den hinteren Rängen. Die wrecking crew der Pubertät ist mächtig und räumt mächtig auf. Neue Personifikationsallegorien besetzen das Pult der Persönlichkeit: zuvorderst die pure Angst – »Anxiety«. Aber auch eher reflexive Figuren wie »Ennui« (Herrin über die innere Fernbedienung), »Peinlichkeit« (»Embarrassment«), »Sarkasmus« und »Nostalgie«.

Das sind Prinzipien der inneren wie äußeren Distanz. Die Unmittelbarkeit des Kindlichen ist vorbei. Das Grundprinzip der Persönlichkeitsbaustelle aus dem charmanten ersten Teil, die »innere Landschaft« der romantischen Subjektivität als eine von Personifikationsallegorien gesteuerte Schaltzentrale des psychischen Apparats »nach außen« in die Animationsfilmwelt zu kehren: »Inside Out«, wie der Originaltitel sagt, wird also durch Figuren zweiter Ordnung ergänzt, die selbst dem Wiederholungszwang noch Pointen am Rande der immer drohenden Katastrophe abringen können. Wird man bei einer Peinlichkeit ertappt, kann man immer noch den großen Ennui vortäuschen. Den Trick muss man erlernen.

Eine große Abwesenheit kennzeichnet diese Persönlichkeit auch weiterhin: »Sex« (ist nicht kindgerecht). Er wird, auch das kein origineller Trick, durch die Semantik des Sports ersetzt. Riley kommt als Talent ins Eishockeytrainingscamp für die besten Nachwuchsspielerinnen und will unbedingt ins Highschoolteam der Allerbesten. Aber ist sie als übergeschnappt grausames, angstbesessen unberechenbares Mädchenmonster denn gut oder schlecht fürs Team?

Von der Strafbank zurück auf dem Eis, nimmt sie sich vor, zukünftig angemessenes Verhalten an den Tag zu legen. Gelernt hat sie (und mit ihr die Zuschauerin), dass sich zur Angst der Stürmerin vorm Versagen die reine Spielfreude (»Joy«) zurückgesellen muss, damit die Chose glatt durchläuft wie die Kufen auf dem Eis. Der Ausgang ist offen. Der Puck ist geworfen.

»Alles steht Kopf 2«, Regie: Kelsey Mann, USA 2024, 96 Min., bereits angelaufen

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