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Aus: Ausgabe vom 03.07.2024, Seite 7 / Ausland
USA

Der König ist immer im Recht

Oberstes US-Gericht: Präsidenten genießen weitgehende Immunität vor Strafverfolgung
Von Alex Favalli
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»Trump steht nicht über dem Gesetz«: Protest gegen das Urteil des Supreme Court am Dienstag in Washington

Urteil: unantastbar. Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten hat am Montag mit sechs zu drei Stimmen zum ersten Mal in der Geschichte des Landes festgestellt, dass Präsidenten für offizielle Handlungen, die sie während ihrer Amtszeit unternommen haben, Immunität vor der Strafverfolgung genießen. Damit verwarfen die Richter eine gerichtliche Entscheidung, mit der Donald Trumps Versuch, sich vor strafrechtlichen Anklagen zu schützen, zurückgewiesen worden war. Konkret ging es um die Bemühungen, die Wahlniederlage von 2020 anzufechten. Für Handlungen in privater Eigenschaft gilt das Urteil hingegen nicht. US-Präsident Joseph Biden nannte den Vorgang einen »gefährlichen Präzedenzfall«, der die Rechtsstaatlichkeit untergrabe.

Der Zeitpunkt kommt gelegen: Sollte Trump die Wahl im November gewinnen, könnte er einen Generalstaatsanwalt ernennen, der die Einstellung des Verfahrens gegen ihn anstreben würde. Als Präsident wäre dann auch eine Begnadigung für sich selbst denkbar und möglich. Hintergrund des Urteils ist, dass Staatsanwalt Jack Smith vergangenen Oktober eine Anklage gegen Trump in vier Punkten erhob. Dazu gehören: Verschwörung zum Wahlbetrug, Verschwörung zur Behinderung der Stimmzählung am 6. Januar 2021, tatsächliche Behinderung der Auszählung dieser Stimmen und Verhinderung der Ausübung des grundlegenden Wahlrechts.

Für Kritiker von Donald Trump waren diese Anklagepunkte noch bescheiden, da sie beispielsweise die Anklage wegen Hochverrats oder aufrührerischer Verschwörung nicht mit einbezogen, obwohl eine substanzielle Beweislage vorhanden wäre. In jedem Fall hätte dem ehemaligen Präsidenten durch eine Verurteilung eine jahrelange Haftstrafe gedroht. Diese Möglichkeit besteht jetzt nicht länger. Trump selbst begrüßte das Urteil auf der Onlineplattform Truth Social am Montag und nannte es einen »großen Sieg für unsere Verfassung und Demokratie«. Laut CNN kündigten seine Anwälte zudem an, die Verurteilung im New Yorker Schweigegeldprozess auf der Grundlage des Urteils des Obersten Gerichtshofs anfechten zu wollen.

Trump hatte den Obersten Gerichtshof im Laufe seiner Präsidentschaft neu aufgestellt, um eine konservative Mehrheit zu sichern. Seitdem haben einzelne Richter immer wieder für Aufsehen gesorgt, vor allem wenn sie ihre Nähe zu den Republikanern, »christlichen Werten« oder zu Donald Trump selbst öffentlich kundgaben oder die Herkunft ihrer Immobilienanlagen und Luxusurlaube rechtfertigen mussten. »Der Präsident steht nicht über dem Gesetz«, schrieb Richter John Roberts im Urteil. »Aber der Kongress darf das Verhalten des Präsidenten bei der Wahrnehmung der verfassungsmäßigen Aufgaben der Exekutive nicht kriminalisieren.« Die konservative Mehrheit stellte darüber hinaus klar, dass Amtshandlungen in einem möglichen Prozess überhaupt nicht als Beweismittel berücksichtigt werden können. Ein Gerichtsverfahren gegen einen US-Präsidenten wird dadurch faktisch unmöglich und stellt die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz fundamental in Frage.

Ein drastischeres Bild zeichnen die Richter, die gegen das Urteil stimmten: »Diese neue Immunität für Amtshandlungen liegt nun wie eine geladene Waffe für jeden Präsidenten herum, der seine eigenen Interessen, sein eigenes politisches Überleben oder seinen eigenen finanziellen Gewinn über die Interessen der Nation stellen will«, so Richterin Sonia Sotomayor. »Der Präsident der Vereinigten Staaten ist die mächtigste Person des Landes und möglicherweise der Welt. Befiehlt er dem Navy SEAL Team 6 einen politischen Rivalen zu ermorden? Immun. Organisiert er einen Militärputsch, um sich an der Macht zu halten? Immun.« Richterin Ketanji Brown Jackson kritisierte, die Maxime des Urteils laute: »Der König kann kein Unrecht tun – eine Idee, die bei der Geburt der Republik entschieden abgelehnt wurde.« Holly Brewer, Historikern an der University of Maryland, verglich den Fall am Montag in einem Kommentar für The New Republic mit dem »Höhepunkt des Absolutismus in der britischen Geschichte«.

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