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Aus: Ausgabe vom 06.07.2024, Seite 4 / Inland
Repression

Strafen für Studierende

Berlin: Abgeordnetenhaus beschließt Rückkehr zum Ordnungsrecht für Hochschulen. Maßnahmen bei Verstößen reichen bis zur Exmatrikulation
Von Marc Bebenroth
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Prügeleinsatz der Staatsmacht gegen ein Palästina-Camp auf dem Theaterhof der FU Berlin (7.5.2024)

Die Kampagne gegen Antikriegsproteste trägt Früchte. Am Donnerstag hat das Berliner Abgeordnetenhaus trotz breiter Proteste im Vorfeld der Wiedereinführung des sogenannten Ordnungsrechts für Universitäten zugestimmt. Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) begrüßte am Freitag die Novelle als »wirksamen Instrumentenkasten, um den Opferschutz zu stärken und wirksamer gegen Gewalt, Antisemitismus und Rassismus vorzugehen«.

Wer »durch Anwendung von Gewalt, durch Aufforderung zur Gewalt oder durch Bedrohung mit Gewalt ein Mitglied der Hochschule in der Ausübung seiner Rechte und Pflichten erheblich beeinträchtigt«, oder wegen einer dahingehend »vorsätzlich begangenen Straftat« gegen ein Hochschulmitglied »rechtskräftig verurteilt worden ist« und dabei eine »Behinderung des Studiums oder der sonstigen Tätigkeit dieses Mitglieds droht«, soll durch »Ordnungsmaßnahmen« belangt werden. Diese reichen von einer Rüge über das Androhen der Exmatrikulation, einem Nutzungsverbot von Einrichtungen bis hin zu einem Teilnahmeverbot an einzelnen Lehrveranstaltungen. Am Ende der Skala steht die Exmatrikulation.

Eine oder mehrerer dieser Strafen handelt sich außerdem ein, wer »Einrichtungen der Hochschule zu strafbaren Handlungen nutzt oder zu nutzen versucht«. Dies richtet sich erkennbar gegen Protestformen wie die jüngsten Gebäudebesetzungen aus Protest gegen die Kriegshandlungen der israelischen Armee im Gazastreifen. Weitere Gründe, bestraft zu werden sind das Verletzen der Würde eines Hochschulmitglieds sowie das Schaffen eines »Umfeldes«, welches von »Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnet« sei, wodurch wiederum »eine Behinderung des Studiums oder der sonstigen Tätigkeit« drohe.

Der Senat aus CDU und SPD behauptet in der Begründung der Beschlussfassung des Siebzehnten Gesetzes zur Änderung des Berliner Hochschulgesetzes, dass »Protestaktionen, Vorfälle und gewalttätige Übergriffe in Zusammenhang mit Auseinandersetzungen um den Nahostkonflikt« gezeigt hätten, »dass in bestimmten Fällen erweiterte Handlungsoptionen zur Sicherung des geordneten Hochschulbetriebs erforderlich sein können«. Tatsächlich entstehe »mit einem solchen Ordnungsrecht ein Klima von Verdächtigungen und möglichen Repressionen«, erklärte Tobias Schulze, Vorsitzender der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, am Freitag im Gespräch mit junge Welt. Die Gesetzesänderung könne beispielsweise dazu führen, dass Betroffene sexuelle Übergriffe von Lehrenden »nicht mehr aufdecken, aus Angst vor Sanktionen«. Schließlich zähle Verleumdung oder Beleidigung zu den von der Novelle erfassten Straftaten. Auch könne eine Sitzblockade von Gerichten bereits »als Gewalt gewertet werden«, sagte Schulze.

Der Linke-Politiker kritisierte die Gesetzesänderung von CDU und SPD gegenüber jW sowie im Plenum am Donnerstag außerdem dafür, dass die Strafen möglicherweise erst Jahre nach einer Tat verhängt würden. So sieht das Gesetz vor, dass ein rechtskräftiges Gerichtsurteil vorliegen muss. Anschließend müsse ein Hochschulgremium über Ordnungsmaßnahmen entscheiden. Neben diesen Hürden sei Schulze zufolge auch unklar, was mit Taten ist, die zwar Studierende einer Berliner Universität betreffen, aber nicht auf dem Campusgelände begangen werden.

Letztlich sei am Donnerstag der Wiedereinführung einer Form der Doppelbestrafung zugestimmt worden, was der Linke-Abgeordnete als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar bewertet. Dieses Ordnungsrecht sei »wirklich ein Law-and-Order-Repressionsinstrument«, das als »Drohung gegen politische Studierende eingesetzt werden kann«.

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