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Aus: Ausgabe vom 23.07.2024, Seite 2 / Ausland
Landarbeiter in Guatemala

»Präsident Arévalo könnte diesen Prozess einleiten«

Guatemala: Bäuerliche Bewegung geht auf die Straße und fordert strukturelle Veränderungen. Ein Gespräch mit Vicenta Jerónimo
Interview: Thorben Austen
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Das Komitee für bäuerliche Entwicklung, hat in der Hauptstadt Guatemalas die erste große Demonstration von Landarbeitern in der Amtszeit von Bernardo Arévalo organisiert. Warum demonstrierten Sie gegen einen progressiven Präsidenten?

Als Bewegung stehen wir immer auf der Seite der Völker, für die Verteidigung der Rechte der Menschen und der Rechte von Madre Tierra. 2023 waren wir auch auf der Straße und haben den Volkswillen mit verteidigt, der in der Wahl von Arévalo zum Ausdruck kam. Als er dann seinen Posten im Januar antrat, haben wir im Februar um eine Audienz gebeten, um Arévalo die Forderungen der Völker mitzuteilen. Dazu kam es bisher nicht. Arévalo hat mit vier anderen Landarbeiterorganisation ein Abkommen zu Agrarfragen im Februar unterschrieben. Wir haben dann in Versammlungen der Gemeinden im Widerstand die Situation analysiert und uns für die Demonstration entschieden – nicht gegen den Präsidenten, sondern gegen das neoliberale System.

Mit welchen Forderungen gingen Sie Anfang des Monats auf die Straße?

Wir wandten uns gegen die Kriminalisierung von Aktivisten und Räumungen von Gemeinden. Dann forderten wir den sofortigen Rücktritt der korrupten Staatsanwaltschaft um Consuelo Porras sowie die Festnahme der Expräsidenten James Morales und Alejandro Giammattei wegen der in ihren Amtszeiten erfolgte Übernahme des Staates durch kriminelle Strukturen. Nach der Demonstration wollte eine Delegation mit Arévalo sprechen.

Das kam nicht zustande, was CODECA deutlich kritisierte. Offenbar war Arévalo am selben Tag zu Besuch in einer vom Starkregen betroffenen Region.

Unsere Demonstration war seit Tagen bekannt und Arévalo liegt unsere Bitte um ein Gespräch seit Monaten vor. Wir sind weiter offen für ein Gespräch, die Versammlungen werden aber auch Entscheidungen für Aktionen treffen.

Die Preise für Obst und Gemüse haben sich in den vergangenen Wochen teilweise verdoppelt. Sie sagten vor der Demonstration, Preisstopps liegen in den Händen von Arévalo. Was sollte er Ihrer Ansicht nach tun?

Er hat die Möglichkeit, per Dekret Preisobergrenzen festzulegen. Dann gibt es staatliche Institutionen wie die DIACO (Verbraucherschutzbehörde des Wirtschaftsministeriums, jW), die er nutzen könnte, um die Preise zu kontrollieren. Auch in bezug auf die Starkregen in den vergangenen Wochen ist Arévalo mit der Hilfe spät dran.

Welche Probleme haben diese Niederschläge verursacht?

Die Regenfälle haben große Schäden bei frisch bestellten Feldern angerichtet und gefährden die Ernte. Wegen der Regenfälle hatten wir auch unsere schon für Mitte Juni geplante Demonstration verschoben.

Sie forderten Arévalo auf, den Prozess einer »Verfassungsgebenden Plurinationalen Volksversammlung« einzuleiten. Was hat es damit auf sich?

Ohne strukturelle Veränderungen gibt es keine Veränderungen. Diese Versammlung wäre ein Weg, um eine neue Verfassung zu schreiben, neue soziale Gesetze und Verträge durchzusetzen. Arévalo könnte diesen Prozess einleiten. Guatemala ist ein gescheiterter Staat, in dem nur die Interessen einer kleinen Minderheit zählen.

CODECA gründete 2018 mit der Bewegung für die Befreiung der Völker, MLP, eine politische Partei. 2023 wurden Ihre Präsidentschaftskandidaten von den Wahlen ausgeschlossen. Bei den Parlamentswahlen kamen Sie nur noch auf 1,3 Prozent und mussten nach dem Parteiengesetz die MLP auflösen. Wollen Sie eine neue Partei gründen für die Wahlen 2027?

Es gibt Bestrebungen in diese Richtung, aber solche Entscheidungen treffen bei uns die Versammlungen der Gemeinden.

Sie waren Abgeordnete der MLP in der vergangenen Legislaturperiode. Glauben Sie, der aktuelle Kongress kann mehr umsetzen?

Ich war Repräsentantin und Stimme der Völker im Parlament. Ich glaube nicht, dass in dieser Legislaturperiode viel mehr für die Völker, die Kleinbauern und die verarmte Bevölkerung erreicht werden kann. Die betreffenden Abgeordneten sind weit von einer Mehrheit entfernt, die wird von den Korrupten der traditionellen Parteien gestellt.

Vicenta Jerónimo ist leitendes Mitglied der Landarbeiterbewegung CODECA und war von 2020 bis 2024 Abgeordnete für die MLP (Bewegung für die Befreiung der Völker)

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