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Aus: Ausgabe vom 01.08.2024, Seite 6 / Ausland
Türkei

Ankara nimmt Kurs auf Somalia

Türkei und Somalia festigen Militär- und Wirtschaftsbeziehungen. Öl und Gas vor der Küste für Ankara wichtig
Von Tim Krüger
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Neuer Verbündeter oder neue regionale Hegemonialmacht? Türkische Marinesoldaten vor Mogadischu (23.4.2024)

Die Türkei sendet ein weiteres Truppenkontingent an das Horn von Afrika. Am Sonnabend ratifizierte das türkische Parlament einen entsprechenden Antrag des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Die Entsendung erfolgt auf zwei Jahre. Schon im Februar hatten Somalia und die Türkei bei einem Treffen von Abgesandten in Ankara ein weitreichendes Rahmenabkommen über einen Ausbau der Verteidigungs- und Wirtschaftskooperation zwischen den beiden Ländern beschlossen. Dem Abkommen zufolge soll die türkische Marine für die nächsten zehn Jahre als Schutzmacht in den somalischen Hoheitsgewässern Präsenz zeigen. »Wir waren stolz darauf, die osmanische Marine gegen die portugiesischen Schiffe auf unserer Seite gehabt zu haben«, sagte der somalische Verteidigungsminister Abdulkadir Mohamed Nur mit Bezug auf das 16. Jahrhundert bei dieser Gelegenheit.

Für das türkische Militär ist Somalia bei weitem kein Neuland. Die Türkei war Teil der westlichen Intervention, die mit der nahezu vollständigen Desintegration des somalischen Staates in den 1990er Jahren und dem Aufstieg dschihadistischer Kräfte eine herbe Niederlage einsteckte. Danach gelang es Ankara ab 2011, wieder Fuß in dem ostafrikanischen Land zu fassen. 2017 errichtete die Türkei mit der Basis Turksom in Mogadischu eine ihrer größten Auslandsbasen. Auf dem Gelände befindet sich heute eine Militäruniversität, in der somalische Polizei- und Armeeeinheiten ausgebildet werden. Darüber hinaus bilden die türkischen Streitkräfte auch Kommandoeinheiten und Spezialeinheiten der somalischen Armee im türkischen Isparta und in Foça aus.

Bis heute sollen mindestens 16.000 somalische Kräfte im Rahmen der türkischen Mission ausgebildet worden sein. Vertreter der türkischen Streitkräfte wirken zudem als Berater für das somalische Verteidigungsministerium und koordinieren in Zusammenarbeit mit ihren somalischen Kollegen Einsätze gegen die Al-Schabab-Miliz. Spätestens seit 2022 greifen die türkischen Streitkräfte selbst aktiv auf seiten der somalischen Regierung mit Drohnenschlägen die islamistische Miliz an. Erst im März dieses Jahres sollen laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International mindestens 23 Zivilisten bei einem vermutlich türkischen Drohnenschlag in der südsomalischen Region Shabeellaha Hoose ums Leben gekommen sein.

Laut der türkischen staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu sollen die nun zu entsendenden türkischen Truppen, über deren Stärke bisher keine genauen Angaben gemacht werden, in Somalia im Rahmen der »Terrorismusbekämpfung« aktiv werden und den somalischen Streitkräften mit »Ausbildungs-, Hilfs- und Beratungsaktivitäten« beistehen. Doch handelt es sich bei dem verstärkten türkischen Militärengagement keineswegs um einen uneigennützigen Freundschaftsdienst. Vielmehr scheint die Türkei ein Auge auf die Öl- und Gasvorkommen vor der Küste Somalias geworfen zu haben und daran interessiert zu sein, in der geostrategisch wichtigen Region am Golf von Aden stark aufgestellt zu sein. So heißt es weiter, dass die Militärmission vor allem auch »die wirtschaftlichen Ressourcen Somalias« sichern werde und einen Beitrag leiste, zur »Stabilität und Sicherheit in der Region, die für (den türkischen, jW) Außenhandel und Seeverkehr von zentraler Bedeutung ist«.

Im März dieses Jahres unterzeichneten der somalische Minister für Erdöl und Bodenschätze, Abdirisaaq Omar Mohammed, und der türkische Energieminister Alparslan Bayraktar in Istanbul eine Übereinkunft über die Erkundung und Ausbeutung der Öl- und Gasvorkommen vor der somalischen Küste. Einen Tag vor der Verabschiedung des Antrags im türkischen Parlament verkündete Bayraktar gegenüber der Presse, dass die Türkei bereits »Ende September oder Anfang Oktober« ihr Schiff »Oruc Reis« in die somalischen Gewässer entsenden werde, um dort »umfangreiche seismische Untersuchungen« durchzuführen. Das Schiff, welches nach einem berüchtigten osmanischen Korsaren benannt wurde, ist schon aus dem Kräftemessen mit der griechischen Küstenwache in der Ägäis im Jahr 2020 bekannt.

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