Rabat schießt quer
Von Jörg TiedjenMarokko lässt erneut die Muskeln spielen und will zum zweiten Mal in diesem Jahr Marineübungen vor den Küsten der Westsahara durchführen. Anders als im Frühjahr sieht die Regionalregierung auf den nahen, zu Spanien gehörenden Kanarischen Inseln den Manövern diesmal jedoch gelassen entgegen. Zum einen sei sie rechtzeitig vom Außenministerium in Madrid informiert worden, nachdem dieses selbst aus Rabat eine entsprechende Ankündigung erhalten habe, schrieb die Nachrichtenseite Yabiladi am Dienstag. Zum anderen beschränkten sich die Übungen auf die Gewässer unmittelbar vor der Stadt Laâyoune, von denen die Inselgruppe mehr als hundert Kilometer entfernt liegt.
Laut der Onlinezeitung El Confidencial hatten die Behörden in Laâyoune am Freitag Fischer und Reeder verständigt, dass in dem Seegebiet von September bis Ende des Jahres tagsüber Schießübungen stattfänden. Außerdem berichtete El Confidencial, dass bereits seit dem 1. August weiter nördlich vor der marokkanischen Stadt Tan-Tan ein Flottenmanöver stattfinde, das aber nur wenige Wochen dauere. Darauf hatte die Abgeordnete Tesh Sidi vom linken Sumar-Bündnis, die selbst aus der Westsahara stammt, am Montag das Außen- und das Verteidigungsministerium in Madrid aufgefordert, zu den Konsequenzen der Übungen für die Kanaren Stellung zu nehmen. Sie selbst nannte das Vorgehen Marokkos »Erpressung«.
Zu betonen ist, dass die Gewässer vor Laâyoune nicht zu Marokko gehören, sondern zur marokkanisch besetzten Westsahara, einer alten spanischen Kolonie. Seit Jahrzehnten verschleppt Rabat ein von der UNO vorgesehenes Unabhängigkeitsreferendum für die Einwohner des Gebiets. Statt dessen hat Marokko 2007 vorgeschlagen, den Sahrauis »Autonomie unter marokkanischer Souveränität« zu gewähren. Doch Marokko ist kein demokratisches Land, sondern wird diktatorisch regiert – das Angebot einer »Autonomie« ist von vornherein Augenwischerei.
Als die marokkanische Marine im Frühjahr schon einmal Schießübungen unweit der Kanaren abhielt, fiel dies zeitlich mit der Bekanntgabe eines Gutachtens des Europäischen Gerichtshofs zusammen, in dem der völkerrechtliche Standpunkt, dass die Westsahara nicht zu Marokko gehört, bestätigt wurde. Man konnte also durchaus von »Warnschüssen« sprechen. Diesmal ging der Ankündigung des Manövers das 25. Thronjubiläum Mohammeds VI. am Dienstag vergangener Woche voraus. Dazu hatte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron Marokkos König einen Brief geschrieben, in dem er sich voll und ganz hinter den »Autonomieplan« stellt.
Einen Grund dafür, warum nach US-Präsident Donald Trump Ende 2020 und dem spanischen Premier Pedro Sánchez Anfang 2022 nun auch Macron einen solchen völkerrechtswidrigen Schritt vollzieht, meldete das Portal Africa Intelligence unmittelbar im Anschluss an die Thronfeierlichkeiten. Demnach hat sich die französische Egis Group mit ihrer Sparte Egis Rail bei der Ausschreibung zur Errichtung einer neuen TGV-Schnellfahrstrecke zwischen den Städten Kénitra und Marrakesch gegen die spanische Konkurrentin Ineco »durchgesetzt« – ein Millionengeschäft, das jeden Brief der Welt wert ist.
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