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Aus: Ausgabe vom 14.08.2024, Seite 4 / Inland
Entwicklungspolitik

Instrument der Außenpolitik

FDP-Papier schlägt Eingliederung des Entwicklungsministeriums in das Auswärtige Amt vor
Von Philip Tassev
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Kinder schürfen nach Gold in einer Grube in Ghana (26.2.2024)

Das Schöne an der FDP ist, dass sie keine Rücksicht darauf nehmen muss, sich als »Volkspartei« darzustellen. Deswegen kann sie regelmäßig Forderungen stellen, die zwar ihr »mittelständisches« Stammklientel bedienen, aber gleichzeitig der großen Masse der werktätigen Bevölkerung unverwässert die ganze Perfidie des Kapitalismus offenbaren. Dazu zählen etwa die Ablehnung einer globalen Milliardärssteuer, aber auch die jüngsten Vorstöße zur Kürzung des »Bürgergeldes« oder für noch mehr Individualverkehr in den Innenstädten.

Ein internes Papier, das das Springer-Portal Politico am Dienstag veröffentlichte, reiht sich da nahtlos ein. Vorgeschlagen wird dort die Eingliederung des sogenannten Entwicklungsministeriums in das Auswärtige Amt.

Als »Argumentationshilfe: Solide Haushaltshilfe für eine starke Außenpolitik« wurde es am Montag an die FDP-Abgeordneten verschickt. Abgesehen vom üblichen Geschwätz von der »Systemrivalität zwischen Demokratien und Diktaturen« werden in dem Papier in bemerkenswerter Offenheit die Ziele und Mittel imperialistischer »Entwicklungshilfe« dargelegt.

Da heißt es: »Deutschlands Einflussmöglichkeiten in der Welt hängen wesentlich von seiner Wirtschaftskraft und soliden Staatsfinanzen ab.« Unter der Merkel-Regierung, als die außenpolitischen Mittel »mit der Gießkanne verteilt« wurden, habe man sich »international verzettelt«. Nun gelte es, diese Mittel wieder zu »priorisieren und die politische Steuerung von Projekten« wiederzugewinnen.

Nur im Bündnis mit anderen imperialistischen Mächten habe die BRD die Chance, sich im Konkurrenzkampf mit China zu behaupten. Die Mitgliedschaft in der EU und G7 schütze deutsche ökonomische und geopolitische Interessen und bilde eine Plattform, um sich »effektiv gegen Protektionismus und für mehr Freihandelsabkommen«, gegen »einseitige Lieferabhängigkeiten« und für »gemeinsame Standards« einzusetzen. Um »dringend notwendige« Veränderungen im UN-System zu erreichen, müssten die deutschen Beiträge als ein »Hebel« dienen, »den wir bewusster und zielgerichteter einsetzen müssen«.

»Dauerhaftes internationales Engagement« soll als »Türöffner« dienen, um sich international zu »vernetzen«. So könnten auch Lieferketten diversifiziert und »kritische Abhängigkeiten von China« reduziert werden. Von der kritischen und einseitigen Abhängigkeit afrikanischer oder asiatischer Neokolonien ist in dem Papier selbstverständlich keine Rede. Ganz im Gegenteil: »Kluge Entwicklungszusammenarbeit« zahle sich durch eine »eng mit der Wirtschaft abgestimmte Fachkräfteausbildung«, also die Abwerbung von qualifizierten Fachkräften aus den Ländern des »globalen Südens« (Stichwort: Brain Drain), und »faire Rohstoffpartnerschaften« aus. »Fair« sind diese »Partnerschaften« bekanntlich nur für das Kapital, das den Großteil der Wertschöpfung in den imperialistischen Kernländern durchführen lässt und die Rolle der neokolonial abhängigen Länder als reine Rohstofflieferanten zementiert. Um so mehr, wenn die »Mittelvergabe an Werte und Interessen« gekoppelt ist, wie es das FDP-Papier fordert.

In der »Schuldenbremse« sehen die Autoren vor allem »einen Hebel, um die Ausgaben in der Außen- und Entwicklungspolitik einer kritischen Inventur zu unterziehen«, das heißt, sich von »ineffizienten oder ideologiebasierten Programmen zu trennen«. Außerdem könnten so »Überschneidungen zwischen den Aktivitäten der beiden Ministerien« abgebaut und durch Einbeziehung der »Verteidigungspolitik« eine »besser vernetzte Sicherheitspolitik« im Sinne des »3D«-Konzepts (Defence, Diplomacy, Development) geschaffen werden.

Während die Liberalen mit diesen Vorstellungen bei ihren Koalitionspartnern und auch der Union wohl offene Türen einrennen, ist die Feststellung, dass die »immensen Herausforderungen der Welt« nicht mit staatlichen Mitteln allein gelöst werden können, eher FDP-spezifisch. Vorgeschlagen wird etwa eine stärkere »Hebelung privater Mittel«, etwa über die »Europäische Investitionsbank« (Stichwort: Kapitalexport) und steuerliche Anreize für private Investitionen in die »Verteidigungsindustrie«.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas G. aus Bonn (14. August 2024 um 10:56 Uhr)
    Sehr geehrter Herr Tassev, eine kleine Ergänzung zu Ihrem Artikel: Mit ihrer Forderung nach der Zusammenlegung von AA und BMZ holt die FDP eine Wahlkampfforderung aus dem Jahr 2009 aus der Mottenkiste. Diese Forderung wurde nach der Wahl und der Koalition mit der CDU aber ganz schnell verworfen: Das BMZ bekam mit Dirk Niebel den FDP-Generalsekretär als Minister, der im Wahlkampf Abschaffung des BMZ gefordert hatte. Im BMZ blieb er in Erinnerung, da er vor allem Menschen ohne Fachkenntnisse, aber mit FDP-Parteibuch, einstellte. Politisch ging es ihm vor allem um die Förderung der deutschen Wirtschaft, insofern sind auch die anderen in Ihrem Artikel erwähnten Forderungen nichts neues. Erwähnenswert wäre noch Niebels Vorliebe, sich den Fernsehkameras bei Besuchen in Ländern des »globalen Südens« in uniformähnlicher Kleidung zu präsentieren. Außerdem blieb sein kläglich gescheiterter Versuch in Erinnerung, einen Teppich aus Afghanistan im Dienstflugzeug nach Deutschland zu schmuggeln, um den Zoll zu sparen. Heutzutage ist er »Berater« bei Rheinmetall. Ich würde getrost davon ausgehen, dass diese Forderung der FDP wieder in der Mottenkiste verschwindet, wenn ein FDP-Mitglied Chancen auf das Ministeramt hat. Mit freundlichen Grüßen, Andreas Gohlke