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Aus: Ausgabe vom 10.09.2024, Seite 6 / Ausland
Mexiko

Ärger mit der Justizreform hält an

Mexiko: Neben Protesten muss Regierung mit den Folgen neoliberaler Abkommen klarkommen
Von Volker Hermsdorf
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Lautstark sind sie zumindest, die Proteste (Mexiko-Stadt, 8.9.2024)

Begleitet von Straßenprotesten haben die Kommissionen des mexikanischen Senats am Sonntag den Gesetzentwurf zu einer im In- und Ausland kritisierten Justizreform mit 25 gegen zwölf Stimmen gebilligt. Die Abstimmung im Senat wird für Mittwoch erwartet. Das vom scheidenden Staatschef Andrés Manuel López Obrador Anfang des Jahres vorgestellte Projekt, das unter anderem die Wahl von Richtern und Staatsanwälten durch die Bevölkerung vorsieht, war am 4. September bereits vom Abgeordnetenhaus des Zweikammerparlaments angenommen worden.

Die rechten Oppositionsparteien, die katholische Kirche und Teile des Justizapparates lehnen die Reformpläne kategorisch ab und bezeichnen sie als Angriff auf die Gewaltenteilung. Während die Angehörigen der Eliten offenbar vor allem ihre Privilegien verteidigen wollen, geht es privaten Investoren und ausländischen Konzernen um handfeste ökonomische Interessen. US-Botschafter Ken Salazar bezeichnete das Projekt als »Risiko für die Demokratie«. Washington betrachte die Reform als »Bedrohung für die Handelsbeziehungen« und des 2020 mit den USA und Kanada vereinbarten Freihandelsabkommens »T-MEC«, erklärte er. Die Internationale Handelskammer, die 45 Millionen privatwirtschaftliche Unternehmen in über 170 Ländern repräsentiert, wies darauf hin, dass Mexiko internationale Verpflichtungen zur Rechtssicherheit für ausländische Investoren eingegangen sei. Eine mit der Reform ermöglichte »Politisierung der Justiz« würde nicht nur das Vertrauen der Investoren beeinträchtigen, sondern auch »ein Umfeld schaffen, das internationale Schiedsverfahren gegen den mexikanischen Staat auslösen könnte«, so die weltgrößte Wirtschaftsorganisation. Derartige Drohungen mit weiteren Klagen vor internationalen Gerichten »sollten sehr ernst genommen werden«, kommentierte die Tageszeitung La Jornada am Montag.

Mexiko war bereits 2023 das lateinamerikanische Land, das den Millionenklagen ausländischer, meist US-amerikanischer und kanadischer Konzerne am stärksten ausgesetzt war, die sich auf Verstöße gegen die T-MEC-Verträge beriefen. Dieses Abkommen ermöglicht es den Unternehmen, die mexikanische Regierung an supranationalen Gerichtshöfen zu verklagen, sofern sie ihre Investitionen etwa durch arbeitsrechtliche oder Umweltschutzmaßnahmen eingeschränkt sehen. Wenn die künftige Präsidentin Claudia Sheinbaum am 1. Oktober ihr Amt antritt, erbt sie laut der Zeitung bereits 23 anhängige Investor-Staat-Klagen von transnationalen Unternehmen. Diese Forderungen und die neuen Drohungen seien »der Preis für die Billigung eben jener Regeln, die in den Freihandelsabkommen und bilateralen Investitionsverträgen enthalten sind, die von früheren neoliberalen Regierungen unterzeichnet wurden«, weist La Jornada auf die Zustimmung des sozialdemokratischen Präsidenten zum Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada hin.

Hier setzt auch die Kritik linker Gegner der Justizreform an. Der Streit zwischen López Obrador und US-Botschafter Salazar sei »simulierter Dissens« erklärte der erste Sekretär des ZK der Kommunistischen Partei Mexikos (PCM), Pável Blanco, gegenüber der Zeitung. Obrador und seine Regierungspartei Morena seien für die US-Regierung »funktional«. Daran werde auch die Justizreform nichts ändern, denn die Justiz verteidige »die wirtschaftliche und politische Macht der herrschenden Klasse (…) und der Monopole. Das ist aktuell so und wird auch mit Obradors Reform so bleiben, weil sich der Klassencharakter des Rechtssystems Mexikos nicht ändert.«

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