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Aus: Ausgabe vom 18.09.2024, Seite 5 / Inland
Industriepolitik

Keine Chips für Olaf

US-Konzern vertagt Pläne für »Megafab« bei Magdeburg. Ampel weiß nicht, wohin mit vakanten Milliardenbeihilfen, EU-Chipstrategie futsch
Von Ralf Wurzbacher
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Rückzieher von Halbleiterproduzent – nichts mit »Hightech-Schub« in der BRD

Verdammt! Die Ampel plagt ein Geldproblem mehr. Mit dem Unterschied: Sie hat nicht zu wenig davon, sondern urplötzlich zu viel. Seit Montag abend steht fest, dass der US-Technologiekonzern Intel seine Pläne für den Bau einer Chipfabrik bei Magdeburg auf Eis legt, für mindestens zwei Jahre, wie Firmenchef Pat Gelsinger bekanntgab. Grund dafür ist eine hartnäckige Absatzkrise des früheren Marktführers, der mit einem harten Sparkurs, Massenentlassungen und der Schließung von Produktionsstätten begegnet werden soll. Dabei entspricht das Volumen des Kürzungspakets mit zehn Milliarden Euro nahezu den zehn Milliarden Euro, die die Bundesregierung für die Ansiedlung zuschießen wollte. Und prompt zeichnet sich erneut Streit innerhalb der Koalition darüber ab, was mit der Summe passieren soll.

Am schnellsten reagierte Finanzminister Christian Lindner (FDP) auf die Absage. Via Kurznachrichtendienst X teilte er mit, »alle nicht für Intel benötigten Mittel müssen zur Reduzierung offener Finanzfragen im Bundeshaushalt reserviert werden«. Alles andere sei »keine verantwortungsbewusste Politik«. Bekanntlich klafft im Haushaltsentwurf für 2025 eine gewaltige Lücke von zwölf Milliarden Euro, und wie die zu schließen ist, stand bisher in den Sternen. Da kommt die Abfuhr aus dem Silicon Valley gerade recht, sollte man meinen. Allerdings hat Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) andere Vorstellungen. Wie aus seinem Umfeld verlautete, will er die Mittel im Klima- und Transformationsfonds (KTF) halten, einem Schattenhaushalt, der mit dem fatalen Karlsruher Haushaltsurteil vom November 2023 um 60 Milliarden Euro geschrumpft ist. Man werde jetzt gemeinsam erörtern, wie das Geld »sinnvoll und sorgsam (…) zum Wohle des Landes« einzusetzen sei, ließ sich Habeck in der Presse zitieren.

Bitter ist der Intel-Rückzieher für Magdeburg und Sachsen-Anhalt. Dort hatte man sich auf die angekündigten 3.000 hochqualifizierten Arbeitsplätze und einen Booster für den Wirtschaftsstandort gefreut. Gute Miene zum bösen Spiel machte am Dienstag Landeswirtschaftsminister Sven Schulze (CDU). Der US-Konzern halte, »wenn auch mit einer zeitlichen Verzögerung, weiter an dem Projekt fest«, erklärte er. »Das ist für uns alle eine wichtige Nachricht.« Ohnedies sei die Entscheidung nicht überraschend gekommen, man sei in den vergangenen Wochen in einem engen Austausch mit Intel gewesen. Der erste Spatenstich sollte, nach diversen Terminabweichungen, eigentlich noch im laufenden Jahr erfolgen. Die dafür nötigen Genehmigungen waren vor zwei Wochen vom Landesverwaltungsamt Halle erteilt worden. 2027, spätestens 2028, sollte die »Megafab« in die Produktion einsteigen.

Aus Kasachstan kündigte gestern Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) »sehr konstruktive Beratungen« darüber an, wie man mit der Situation umgehen werde. »Ich gehe auch davon aus, dass wir da einfach in allen Richtungen unsere Möglichkeiten nutzen. Da gibt es nicht nur schwarz und weiß«, sagte er bar jeder Aussage. Die Bundesregierung wolle zugleich die Halbleiterentwicklung in Deutschland voranbringen und dafür Sorge tragen, »dass wir mit unseren Finanzen gut auskommen«. Für die »Hightechstrategie« der Ampel ist Intels Rückzug ein herber Rückschlag, und nicht weniger für die Ambitionen der EU, Europa zu einem Chipeldorado hochzuzüchten. Auch ein kurz vor Baubeginn stehendes Werk nahe der polnischen Stadt Wrocław schickt Intel in die Warteschleife, mit ungewissem Ausgang. Warschau wollte für die Ansiedlung 1,6 Milliarden Euro locker machen.

Noch ein Dämpfer mehr: Intel will nicht überall abspecken, sondern verstärkt in neue Werke in den USA investieren und speziell die Entwicklung neuer KI-affiner Chips der Cloudsparte von Amazon voranbringen. Aber Europa zeigt der Konzern die kalte Schulter, trotz teurer Geldgeschenke. Fehlt nur noch, dass der taiwanesische Techgigant TSMC von seinen Plänen für eine Chipfabrik in Dresden Abschied nimmt. Dort war allerdings schon Mitte August Baustart. Wie es am Dienstag hieß, steht das Projekt nicht in Frage. Hierfür will die Ampel fünf Milliarden Euro an Subventionen beisteuern.

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