Markt macht’s möglich
Von Jörg KronauerKommt da doch noch Bewegung in den Konflikt um die EU-Zölle auf die Einfuhr von Elektroautos aus China? Kurz vor der wohl endgültigen Entscheidung der EU, die für den kommenden Mittwoch erwartet wird, hat der chinesische Handelsminister Wang Wentao auf einer Blitztour nach Europa ein wohl letztes Mal das Ruder herumzureißen versucht. Bisher hatte sich Brüssel quergestellt, hatte sämtliche Angebote der chinesischen Seite, etwa mit einem freiwilligen Mindestpreis den Konkurrenzdruck ein wenig zu reduzieren, brüsk zurückgewiesen – stur wie Stahlbeton. In dieser Woche sprach Wang nun erst in Rom, dann in Berlin und schließlich in Brüssel vor – und er erhielt jeweils die Antwort, vielleicht könne man ja doch noch über eine politische Lösung des Konflikts nachdenken; womöglich seien Preisabsprachen eine Option. Als ob Beijing das nicht schon längst vorgeschlagen hätte. Aber egal.
Was ist dran an den Verlautbarungen – handelt es sich um taktische Spielchen, oder ist die vorsichtig angedeutete Offenheit für neue Gespräche ernst gemeint? Nun, es ist deutlich, dass die Bundesregierung die Zölle gerne vom Tisch hätte. Die deutsche Kfz-Branche ist in Sachen Elektroautos schwer ins Hintertreffen geraten. Ihr Absatz in China ist eingebrochen, und er droht, sobald die Verbrenner ganz verschwinden, noch weiter zu kollabieren. Welche Folgen das hat, sieht man zur Zeit bei VW, wo die Profite aus dem Verkauf in der Volksrepublik nicht mehr genügen, um das darbende Deutschland-Geschäft querzufinanzieren. Über schwachen Absatz und schrumpfende Gewinne in China beklagen sich nun auch Mercedes-Benz und BMW – und wenngleich die Konzerne dies als Folge der chinesischen Immobilienkrise darzustellen suchen: Die ist nur einer der Gründe für das Desaster. Deutsche Konzerne gelten in China zu Recht als dürftig bei Elektroautos; Verbrenner aber kauft man kaum noch.
Nun könnte man natürlich, wie die USA es machen, chinesische Autos mit Monsterzöllen faktisch aussperren, und man könnte gewiss auch ihre Fertigung innerhalb der EU irgendwie unterbinden. Damit sichert man sich aber nur den begrenzten kontinentaleuropäischen Markt. Der Rest der Welt – abzüglich Nordamerika, versteht sich – stünde dann der chinesischen Branche scheunentorweit offen. Den nicht mehr wirklich konkurrenzfähigen deutschen Konzernen bräche der Weltmarkt weg. Hinzu kommt die grundsätzliche Überlegung, dass ein Zollkrieg mit China der krisengeschüttelten deutschen Industrie gerade jetzt nicht guttäte, um es vorsichtig zu formulieren. Für sie wäre ein gesichtswahrender Ausweg aus den drohenden Zollschlachten zumindest in der jetzigen Situation der günstigere Pfad. Das ist der Grund, weshalb die Bundesregierung sich laut Berichten zuletzt für einen Abgleich mit Beijing ausgesprochen hat. Ob sie sich damit in Brüssel noch wie gewohnt durchsetzen kann, wird man nächste Woche sehen.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Ähnliche:
- 16.08.2024
Kampf der Oligopole
- 15.08.2024
Trend »Made in China«
- 05.08.2024
Mit China läuft der wahre Handelskonflikt
Mehr aus: Ansichten
-
Stummelschwanz des Tages: Kadyrows Karre
vom 21.09.2024