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Aus: Ausgabe vom 23.09.2024, Seite 5 / Inland
Wohnen

Leere Bürotürme kein »Gamechanger«

Neue Ifo-Studie: Wohnungsnotstand in Ballungsräumen durch Umnutzung nicht zu beheben
Von Alexander Reich
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Der Bauboom bleibt aus: Wohnraum bleibt knapp, auch wenn sich Reiche wieder öfter welchen zulegen

Wohnimmobilien zu erwerben wird wieder teurer. Im zweiten Quartal dieses Jahres stiegen die Preise für Häuser und Wohnungen um 1,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal, teilte das Statistische Bundesamt am Freitag mit. »Dies ist der erste Anstieg gegenüber einem Vorquartal seit dem zweiten Quartal 2022.«

Die Trendwende geht auf gesunkene Hypothekenzinsen zurück. In den vergangenen zwölf Monaten sanken die Zinsen für zehnjährige Immobilienkredite von durchschnittlich vier auf 3,3 Prozent. Im Juli wurden deshalb so viele dieser Kredite nachgefragt wie seit zwei Jahren nicht mehr, zeigen Daten der EZB.

Von einem Bauboom, der womöglich den Mietwohnungsmarkt entspannen könnte, ist die BRD gleichwohl denkbar weit entfernt. Die Zahl der Baugenehmigungen sank im Juli um 19,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Es war der 27. Rückgang in Folge, wobei das Minus in den vergangenen 22 Monaten zweistellig war.

Wohnraum bleibt also knapp, auch wenn sich Reiche wieder öfter welchen zulegen. Besonders groß ist der Notstand in den Ballungsräumen. Dort stehen allerdings wegen großzügiger Home­officeregelungen immer mehr Büros leer, gerade in Zeiten der Rezession. »Jedes vierte große Dienstleistungsunternehmen reduziert seine Büroflächen«, erklärte der Ökonom Simon Krause am Freitag bei der Vorstellung einer Studie, die er im Auftrag des Ifo-Instituts erstellt hat. Krause geht darin der Frage nach, wie viele Büros in den sieben größten deutschen Städten in Wohnungen umgewandelt werden könnten. Theoretisch könnten auf diese Weise in Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart und Düsseldorf 60.000 Wohnungen für gut 100.000 Menschen entstehen, ist das Ergebnis. »Doch nur ein kleiner Teil der möglichen Umnutzungen ist auch wirtschaftlich realisierbar.«

Schließlich brauche es für die Umnutzung neue Flure, neue Wände, neue Heizungstechnik etc. – letztlich müsste man die Gebäude erst wieder zum Rohbau machen. Wenn das betriebswirtschaftlich überhaupt in Frage käme, würden die Wohnungen extrem teuer. Ein »Gamechanger« für den Wohnungsmangel sei der Ansatz nicht, so Krause. Auf diese Weise könnte die Situation allenfalls »gelindert« werden.

Die Mieten werden also weiter steigen, die Ärmeren weiter aus den Städten verdrängt. Und wenn die Nachfrage nach Büroflächen bis 2030 um zwölf Prozent sinken wird, wie in der Ifo-Studie vorhergesagt, dann werden in verlassenen Bürotürmen vielleicht ein paar Luxusappartements entstehen, was an der Gesamtentwicklung nichts ändern wird.

Allerdings könnten sich auch die goldenen Zeiten des Homeoffice dem Ende zuneigen. Wie die Financial Times am Freitag berichtete, hat Amazon-Chef Andrew Jassy in der vergangenen Woche alle mehr als 300.000 Mitarbeiter des Weltkonzerns angewiesen, im Januar zur Fünftagewoche zurückzukehren. »Vor der Pandemie war es keine Selbstverständlichkeit, dass man zwei Tage in der Woche woanders als im Büro arbeiten kann, und das wird auch in Zukunft so sein«, zitierte das Blatt aus der internen Mitteilung. Jassy folgte damit dem berüchtigten Tesla-Boss Elon Musk, der seine Untergebenen schon 2022 wissen ließ, dass sie »woanders so tun können, als würden sie arbeiten, wenn sie nicht mindestens 40 Stunden pro Woche im Büro sind«.

Dass immer weniger Mitarbeiter sich eine Bleibe in den Städten mit den schicken Büros leisten können, schert diese CEOs einen Dreck.

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