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Aus: Ausgabe vom 05.10.2024, Seite 10 / Feuilleton
HipHop

Auch die Spülmaschine

So subersiv wie immer, also gar nicht: Das sechste Album der Antilopen Gang »Alles muss repariert werden«
Von Norman Philippen
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Stimmt: »Meine Hater sind die geilsten, die es gibt, ohne meine Feinde wär’ ich nix«

Es tut sich wieder was in Dingen deutscher Weltgenesung. Seit dem 17. September können nach Sachsen und Thüringern auch Berliner einen Reparaturbonus von bis zu 100 Euro beantragen, wenn was kaputtgegangen ist. Wie mir jetzt die Spülmaschine, die bis neulich sauber machte, was mal dreckig war. Bei geringer Temperatur auch ein paar CDs. Die ja eh keiner mehr hört. Der Pfälzerpunkband Pascows Album »Alles muss kaputt sein« (2010) etwa. Das Ersparte könnte ins sechste Album »Alles muss repariert werden« der Antilopen Gang investieren, wer auch findet, dass alles repariert anstatt kaputtgemacht werden muss.

Ich finde, dass weder noch unbedingt muss. Und zur ersten Albumhälfte auch nur wenig Worte. Track eins bis zehn gehen überwiegend so: In durchschnittlichen, radikal radiotauglichen dreieinhalb Minuten gesellen sich früher oder später zu selbst für deutsche Hiphopverhältnisse meist längst ziemlich bräsigen Beats und dem Hi-Hat-Geticke der »Brachial-Humanisten« (Süddeutsche Zeitung) sanfte Gitarrenklänge nebst ein paar Pianoanschlägen. Danger Dan, dessen Bruder Panik Panzer und Koljah rappen ihre 16 Bars zwischen den Zeilen, zwei von ihnen haben einen Solosong, der dritte, Panik Panzer, keine Zeit dazu gehabt. Ein bisschen ironisches Autotune, ein paar Reggaeparts, ein Egotronic-Sample und ein wir »machen Kunst nur für uns, denn ihr seid dumm« später ist die Sache überstanden. Selbstverständlich ist das alles wieder so doll geradeaus wie ambivalent und antideutsch staatstragend vorgetragen, dass man den Jungs, die ja nur spielen wollen, zu viel Gefallen täte, würde man ihre Texte und Haltung allzu kritisch hinterfragen. Zum vierten Song »Oktober in Europa« ließe sich mehr sagen, hätte das Feuilleton das – mitunter gar Zeile für Zeile analysierend – nicht schon ausgiebig auch in diesem Blatt schon getan.

Der ersten Albumhälfte spülend lauschend, war ich noch wenig geneigt, Danger Dans alberner Analyse »Früher waren manche Bands O. K., also international und nicht in der BRD / Heute ist das anders, jeder Song ist scheiße, von Spotify bis Myspace, genreübergreifend« zuzustimmen. Dann aber kommen noch zwölf von der Gang so deklarierte Punksongs, die Panik Panzers und Koljahs Part »Wir werden beschimpft, wir ecken nur an, den Punkern zu Rap, den Rappern zu Punk / Wir werden sogar von der Springerpresse gehypt, aber sind immer noch die besten im direkten Vergleich« (»Direkter Vergleich«) – bis auf die letzten neun Wörter – absolut einleuchtend machen.

Wurde die bald 50 Jahre alte Frage, was nun Punk ist oder nicht, doch nicht einmal aus Düsseldorf je langweiliger und mit einem deutlicheren »Das hier jedenfalls nicht!« so gründlich beantwortet wie auf »Alles muss repariert werden«. Die ursprünglich Aachener Pädagogikprofessorensöhne Daniel und Tobias Pongratz sowie der harte Düsseldorfer Tote-Hosen-Fan Kolja Podkowik allerdings haben in vielen Interviews ausgesagt, sich weder für Punks noch für Politrapper zu halten. Punks, wissen sie nämlich, haben gar keine Bärte wie sie selbst. Wer sie aber so einordnen und die wie auch immer gearteten, entsprechenden Maßstäbe an sie anlegen mag, kann das tun. Ob das dann wiederum allzu punkig ist? Mögen Menschen wissen, die dazu mehr zu sagen haben als: So what?! Oder, aber das wäre dann wieder mehr Grunge: Nevermind!

Alles, was ich weiß, ist, dass für Danger Dan Punk gleich Bierdusche, Knochenfabrik seine liebste Punkband, deren Song »Filmriss« (in dem es, wenn man schon ungewollt geboren wurde, um besoffen in der Ecke liegen und die Fahne in den Wind halten geht) sein liebster, ihn zum Weinen bringender Punksong ist, und dass die drei Buben vom Genre in etwa so viel Ahnung haben wie das musikalische Ergebnis auch entprechend schlüssig für mich klingt.

Im Marginalisierte verteidigenden, internationalistisch ausgerichteten, antiimperialistischen, klassenbewusst eigentumskritisch humanistischen Sinne haben Album und Crew sowieso so wenig zu bieten, wie es ihre nunmehr 15jährige Crewgeschichte je hatte. Wem dieser Befund mehr als ein Schulterzucken wert ist, darf mir gleich auch gerne die Spülmaschinenreparatur bezahlen.

Ob der Berliner Reparaturbonus auch 2025 gezahlt wird, ist nämlich bereits offiziell so ungewiss, wie für das linke Feuilleton doch ohnehin zu Recht feststeht, dass die Antilopen Gang, falls es so was gibt, keine ernstzunehmenden Politrapper/Punkrapper sind. Besser als das gewöhnlich notorische Absingen der »Moorsoldaten« zu linken Zusammenkünften klingt aber selbst dieses Album dann doch. Warum nicht einfach Koljah zustimmen, wenn er auf dem Track »Muttertag« rappt: »Meine Hater sind die geilsten, die es gibt, ohne meine Feinde wär’ ich nix.« Richtig.

Als Hendrik Wüst hätte man den Antilopen statt den Toten Hosen just den NRW-Staatspreis verpassen können. Mit Karl Valentin ginge es in solchen Fällen trotzdem locker auch so: Gar nicht erst ignorieren, die ganze Posse. Danger Dan behält am Ende aber auch nicht unrecht: »Das ist dann mein Niveau, / sucht euch einen andern Rapper für das Feuilleton / Sucht euch einen andern für Gesellschaftskritiken, / zu mir könnt ihr kommen, um ein Tretboot zu mieten.« Muss aber niemand.

Antilopen Gang: »Alles muss repariert werden« (Antilopen Geldwäsche/Sony)

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