Viel Genozid, wenig Israel
Von Jamal IqrithFür gute zwei Stunden standen am Montag im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags »Auswirkungen des Kolonialismus und der deutschen kolonialen Vergangenheit auf die internationalen Beziehungen und die aktuelle deutsche Außenpolitik« auf der Tagesordnung. Zur öffentlichen Anhörung des ansonsten geschlossen tagenden Gremiums hatten die verschiedenen Bundestagsfraktionen externe Redner eingeladen.
Eröffnet wurde die Sitzung durch den Ausschussvorsitzenden Michael Roth (SPD), der zu Beginn klarmachte, dass die Debatte nicht den zionistischen Siedlerkolonialismus in Palästina ins Auge nehmen würde. Der »demokratische Staat Israel« werde von »nicht wenigen als kolonialer Apartheidstaat bezeichnet«, während der »mächtigste und gefährlichste Kolonialstaat Russland« nie als solcher benannt werde. Statt einer »Genoziddebatte« sollten vielmehr »außenpolitische Empfehlungen« diskutiert werden, die sich aus der Erinnerungskultur an den deutschen Kolonialismus ergeben.
Winfried Speitkamp, Hochschullehrer und Staatssekretär in Thüringen, erklärte »genozidale Exzesse« zu Resultaten einer »Entgrenzung der Gewalt in der kolonialen Situation«. Stefan Friedrich von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung betonte, die Aufarbeitung der deutschen Kolonialverbrechen sei zwar wichtig, allerdings dürfe die »kritische Aufbereitung der Vergangenheit« nicht den deutschen »außenpolitischen Interessen schaden.« Der von der AfD geladene US-amerikanische Autor Bruce Gilley, Verfasser einer Schrift mit dem Titel »Verteidigung des deutschen Kolonialismus«, blieb der Diskussion überraschend fern. Aram Ziai von der Universität Kassel machte unter Verweis auf den sozialistischen Revolutionär Thomas Sankara auf noch heute bestehende »neokoloniale« Mechanismen in der Welthandelsordnung und globalen Wohlstandsverteilung aufmerksam. So trage die Stimmrechtsgewichtung in internationalen Finanzinstitutionen »koloniale Züge«.
Die anschließende Debatte thematisierte Themen wie Erinnerungspolitik und Entschädigungen sowie die Einordnung der Niederschlagung des Aufstandes der Herero und Nama als Völkermord. Auch zur »Singularität« des Holocausts wurden gegensätzliche Auffassungen vorgetragen. Die andauernde blutige Kriegführung Israels im Gazastreifen hingegen, die Genozidforscher seit Oktober 2023 als »Paradebeispiel« für einen Völkermord durch ein Kolonialregime bezeichnen, war in der Debatte kein Thema. Die Aufarbeitung der deutschen Unterstützung für Israel ab dem 7. Oktober 2023 wird die Bundesrepublik wohl erst in mehreren Jahren einholen.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
-
Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (14. Oktober 2024 um 20:04 Uhr)Der Wertewesten (damals hieß er noch anders) hat den Staat Israel als Stachel im Fleisch Arabiens implementiert und kongenial den Zionismus genutzt. Wer nicht so bibelfest ist: »Lutherbibel 2017: Und damit ich mich wegen der hohen Offenbarungen nicht überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten schlagen soll, damit ich mich nicht überhebe.« (https://www.bibleserver.com/de/verse/2.Korinther12,7). Ob die Araber es dem Paulus nachmachen?
Ähnliche:
Mehr aus: Inland
-
»Kerngedanke«: NATO übt Atomkrieg
vom 15.10.2024 -
»Vorschriften kommen nicht in der Kabine an«
vom 15.10.2024 -
In Haft im freien Westen
vom 15.10.2024 -
Lobby für »Lex Lilly«
vom 15.10.2024 -
Ganztag braucht Personal
vom 15.10.2024