Griechische Pasok mit Rechtsdrall
Von Hansgeorg Hermann, ChaniáDer Parlamentsabgeordnete Nikos Androulakis bleibt Chef der griechischen Sozialdemokraten. In einer parteiinternen Urabstimmung erhielt der Vorsitzende der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (Pasok) am Sonntag in der Stichwahl 60 Prozent der 213.781 abgegebenen Stimmen. Für seinen Gegner, den Athener Bürgermeister Charis Dukas, blieben 40 Prozent. Androulakis führt die Partei seit Dezember 2023 und gilt als Anführer des »reformistischen« Flügels. In dieser Rolle hatten ihn in jüngerer Vergangenheit die griechischen Medien als idealen Koalitionspartner des regierenden Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis und von dessen rechter Partei Nea Dimokratia (ND) beschrieben. Die Idee zerschlug sich allerdings, als Androulakis sich im Winter 2022 als eines der prominentesten Opfer einer umfassenden Abhöraktion entpuppte, die damals aus der Kanzlei des Regierungschefs heraus gegen mehr als 100 Politiker, Journalisten, hohe Funktionäre und sogar Militärs orchestriert worden war.
Immerhin führte der alte und neue Pasok-Chef seine Formation bei den letzten beiden Parlamentswahlen wieder zurück in den kleinen Kreis jener Parteien, die im kommenden Jahrzehnt ernsthaft um die Regierungsmacht kämpfen könnten. Im Frühjahr 2023 lagen seine Sozialdemokraten zwar bei den Nationalwahlen sowohl im Mai als auch bei der Wahlwiederholung im Juni als drittstärkste Partei mit 11,5 und 11,8 Prozent jeweils noch hinter Syriza (Koalition der Radikalen Linken), die 20,1 und 17,8 Prozent erreichte. Neueste Meinungsumfragen des Instituts Opinion Poll sahen die Pasok Ende September nun auf dem zweiten Platz hinter der Regierungspartei ND. Während dies ihren Spitzenplatz mit 27,1 Prozent behaupten kann, stürzte der bisherige Konkurrent Syriza, die Partei, die 2015 bis 2019 mit ihrem Vorsitzenden Alexis Tsipras den Ministerpräsidenten stellte, auf 10,5 Prozent ab – inzwischen locker überholt von der Pasok mit 13,1 Prozent, die sich nun auch führende Oppositionspartei nennen darf und erste Kandidatin für einen Regierungswechsel in drei Jahren sein könnte.
Androulakis’ innerparteilicher Konkurrent Dukas wird in der Führungsriege der Partei bleiben, wie er am Sonntag abend bestätigte. Sein Anspruch gründet nicht nur auf seiner politischen Stellung als Bürgermeister der griechischen Hauptstadt – nach dem Amt des Regierungschefs zweitwichtigster Posten der hellenischen Demokratie. Er wird auch untermauert von seinem politisch-gesellschaftlichen Beziehungsgeflecht, das hervorragende Kontakte zur linken Konkurrenz aus Kommunistischer Partei (KKE) und auch zur Syriza einschließt. Nicht auf ihn baute zwar Syriza-Anführer Stefanos Kasselakis, sondern auf Androulakis, dem er als erster zum Sieg über Dukas gratulierte. Doch Kasselakis wurde jüngst wegen Rechtslastigkeit und allzu großer Nähe zum Kreis um Mitsotakis vom Zentralkomitee der eigenen Partei abserviert.
Bei der für Anfang November geplanten Neuwahl des Syriza-Vorstands darf »der Amerikaner«, wie Kasselakis von seinen innerparteilichen Gegnern genannt wird, nicht einmal mehr kandidieren. Gegen den Entscheid des ZK will der Verfemte, der es in den USA als Banker bei Goldman Sachs und als Schiffsreeder zum Multimillionär brachte, gerichtlich vorgehen, wie griechische Medien jüngst meldeten. Während seiner knapp einjährigen Amtszeit verprellte der Syriza-Chef mit einem deutlich wirtschaftsliberalen Gesellschaftsprogramm und einer seltsamen Annäherung an den ihm angeblich »freundschaftlich« verbundenen Mitsotakis einen gewaltigen Teil der eignen Wählerschaft und erzwang quasi den Austritt der Wortführer des linken Flügels der Partei.
Dukas’ Verdienst dagegen, von dem auch die Pasok als Partei und deren eher rechts angesiedelter Vorsitzender profitieren, ist vor allem der im Oktober 2023 bei den Kommunalwahlen mit Unterstützung Syrizas errungene Sieg über den ND-Kandidaten und seinerzeit amtierenden Athener Bürgermeister Kostas Bakogiannis: Der Erfolg gegen den Neffen des Regierungschefs hat eine Bresche in das bisher von der Familie Mitsotakis dominierte Machtgefüge des Landes geschlagen.
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