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Aus: Ausgabe vom 11.11.2024, Seite 4 / Inland
Sport und Ampel

Alles ziemlich beschämend

Das Ampel-Aus sorgt auch in der deutschen Sportpolitik für Verwerfungen
Von Andreas Müller
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Demoliert: Sitzbank für den Gästetrainer auf einem Fußballplatz in Witten

Nur Stunden, bevor Olaf Scholz am vergangenen, »historischen« Mittwoch seinem Finanzminister den Stuhl vor die Tür stellte und die »Ampel« endgültig erlosch, hatte der Kanzler mit seinem Kabinett noch den Entwurf eines »Sportfördergesetzes« gebilligt. »Sportnation Deutschland stärken: Bundeskabinett beschließt Entwurf für erstes Sportfördergesetz«, stand als fette Schlagzeile auf der Website des für Spitzensport zuständigen Bundesinnenministeriums (BMI). Der Entwurf war das Ergebnis eines ungefähr zweijährigen zähen Ringens zwischen organisiertem Sport und BMI mit dem Ziel, bei Olympischen Spielen und anderen Großereignissen demnächst wieder besser abzuschneiden und eine Entwicklung umzukehren, wie sie Katarina Witt nach der jüngsten Ernüchterung bei den Sommerspielen prägnant zusammenfasste: »Ein zehnter Platz im Medaillenspiegel ist ziemlich beschämend für so eine führende Sportnation, die wir mal waren.«

Dieses Gesetz, mit der Implantierung einer unabhängigen Agentur als wichtigstes Element künftiger Spitzensportförderung und neues »Superhirn« im Zentrum, sollte noch vor den nächsten Wahlen im kommenden September den Bundestag passieren. Das neue Heilmittel, den Spitzensport sogar erstmals als Staatsziel definierend, sollte möglichst schnell zu wirken beginnen – versüßt mit 50 Millionen Euro zusätzlicher Leistungssportförderung aus dem Bundeshaushalt fürs nächste Jahr. Für 2025, das Jahr des Arbeitsbeginns der neuen Sportagentur, hätte dieser Etat aus dem BMI dann rund 330 Millionen Euro betragen sollen. Prima Aussichten, vor die sich im politischen Berlin nun ein Sandsturm schob.

Trotz aller aktuellen Unwägbarkeiten steht fest: Der Sport ist einer der großen Verlierer. Das »Sportfördergesetz« wird ganz sicher keines jener Projekte sein, die Scholz in den letzten Zügen seiner Kanzlerschaft noch durchzubringen gedenkt.

Angesichts eines fehlenden Bundeshaushalts drohen ausgerechnet für ein vorolympisches Jahr erhebliche finanzielle Turbulenzen. Kein Haushalt heißt »vorläufige Haushaltsführung«. Gehört der Leistungssport zu den Posten, die im Rahmen der »vorläufigen Haushaltsführung« über Silvester hinaus versorgt bleiben? Wie wird ein Spitzensportgeflecht mit all seinen Einrichtungen und seinem Personal unter solchen Bedingungen finanziert? Wie geht es weiter mit den vom Bund geförderten Projekten von Integration bis Inklusion? Kann unter solchen Auspizien eine Olympiabewerbung noch ernsthaft und glaubhaft ein Thema sein? »Wir sind besorgt, dass Verhandlungsergebnisse nun gefährdet sein könnten oder sich deren Umsetzung deutlich verzögert«, erklärte die Interessengemeinschaft »Athleten Deutschland« am Freitag. Die Sorge bezieht sich explizit zugleich auf die Zukunft des Zentrums für »Safe Sport«, dessen Fundament in der Ampel-Ära gelegt wurde. »Insbesondere der Schutz der Athletinnen und Athleten vor Gewalt und Missbrauch darf jetzt auf keinen Fall der veränderten politischen Lage zum Opfer fallen«, hieß es weiter.

Fragezeichen überall. Nur bei der leidgeprüften Zunft der Trainer nicht. Sie wird dem »Sportfördergesetz« nicht unbedingt hinterher trauern und stark hoffen, dass die nächste Regierung dort endlich die Trainerinteressen einarbeitet. Vage Hoffnungen auf bessere Zeiten mit einer anderen Regierung richten sich ebenfalls auf die Sanierung der maroden Sportstätten und die Zustände im Schulsport. Wie unzufrieden die nach den Athleten wichtigsten Personen mit dem Entwurf sind, offenbarte eine just am frühen Nachmittag des 6. November veröffentlichte Pressemitteilung des Berufsverbands der Trainer/innen im deutschen Sport (BVTDS) – eine verbale Attacke einer Berufsgruppe, die ein möglichst schnelles Ende der Amtszeit vor allem von Bundesinnenministerin Nancy Faeser erwartet: »Seit Jahren lehnt das zuständige Ministerium es ab, über ein attraktives und transparentes Vergütungssystem zu verhandeln und die Einhaltung arbeitsrechtlicher Rahmenbedingungen als Fördervoraussetzung im Gesetz zu verankern«, so die beiden BVTDS-Präsidenten Holger Hasse und Gert Zender in ihrer Erklärung. Neuerdings werde die ablehnende Haltung des BMI sogar damit begründet, dass das Berufsbild des Trainers »nicht nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Gesetzen und Vorschriften« funktioniere. Diese Auffassung sei »skandalös« und bedeute, »dass sich unsere Trainerinnen und Trainer unrechtmäßigen Zuständen zu fügen haben«.

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