Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2024
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Aus: Ausgabe vom 14.11.2024, Seite 3 / Ausland
US-Nahostpolitik

Zündelnder Dealmaker

Donald Trumps künftige Nahostpolitik dürfte bei seiner vorigen Amtsperiode anschließen
Von Knut Mellenthin
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»Glückwunsch Trump, mach Israel großartig!« – Plakatwand in Tel Aviv (5.11.2024)

Ist Donald Trump »gut für die Juden«? Die Mehrheit der in den USA lebenden Juden glaubt das offenbar nicht. Nach ersten Analysen erhielt Kamala Harris fast 80 Prozent dieser Wählerstimmen. Ganz anders jedoch in Israel: Umfragen vor der Präsidentenwahl ergaben, dass zwei Drittel der jüdischen Israelis Trump den Vorzug geben würden. Die israelische Regierungskoalition, die rechteste in der Geschichte des Landes, feiert seinen Wahlsieg. Unter Joe Biden haben die USA die israelische Besatzungs- und Kriegspolitik zwar nicht praktisch behindert, aber doch in Einzelfällen verbalen Druck vorgetäuscht. Von Trump, der seine zweite Amtszeit am 20. Januar 2025 antreten wird, werden sie völlige Handlungsfreiheit erhalten, erwarten Premierminister Benjamin Netanjahu und dessen rechtsextreme Partner Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich.

Kann es sein, dass sie sich irren? Weil Trump bekanntlich unberechenbar und anscheinend sogar ein bisschen verrückt ist, gibt es Zweifel, welchen Weg er in der Nahostpolitik einschlagen wird und ob er sich nicht vielleicht sogar mit Israel anlegen will.

Zwei zentrale Tatsachen sprechen aber dafür, dass er dort weitermachen wird, wo er im Januar 2021 aufhören musste. Erstens: Trump hat in seiner damaligen Amtszeit konsequent an seinem erklärten Vorsatz festgehalten, der loyalste US-Präsident zu sein, den Israel jemals hatte. Seine Israel- und Nahostpolitik in diesen vier Jahren war völlig gradlinig und berechenbar, wies keinerlei Brüche, Wendungen und andere Überraschungen auf. Zweitens: Es gab in Trumps zweiter Wahlkampagne keine bekanntgewordenen Äußerungen, nicht ein einziges Zitat, die auf einen Wandel seiner Ansichten und Absichten zu diesem Thema hindeuteten.

Womit ist also zu rechnen? Zunächst: Trump würde bei seinem Amtsantritt gern eine komfortable Ausgangslage vorfinden, in der Israels Kriege im Gazastreifen und im Libanon beendet sind. Das hat er Netanjahu mehrmals am Telefon gesagt, und dafür fordert er auch öffentlich den Einsatz seines Vorgängers Biden in dessen letzten Amtswochen. Trump lässt seinen Namen lieber mit Frieden, Stabilisierung und Wohlstandsträumen verbinden als mit Krieg. Der plakative Spruch »I’m not going to start wars, I’m going to stop wars« kennzeichnet ihn ebenso wie die Behauptung, er könne den Krieg in der Ukraine in 24 Stunden beenden und mit ihm als US-Präsidenten hätte es den 7. Oktober 2023 gar nicht erst gegeben.

Wie er seine versprochenen Wunder vollbringen will, verrät Trump nie. Tatsächlich hat er in seiner ersten Amtszeit keinen einzigen Krieg oder Konflikt beendet. Es gab viel nutzlose Schaumschlägerei, wie die drei Treffen mit dem nordkoreanischen Staats- und Parteiführer Kim Jong Un 2018 und 2019. Aber der einzige Verhandlungserfolg von Trumps Team, an dessen Spitze sein Schwiegersohn Jared Kushner stand, waren die Normalisierungsabkommen Israels mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain, Sudan und Marokko 2020. An eine Ausweitung und Vertiefung der »Abraham Accords«, insbesondere an eine Einbeziehung Saudi-Arabiens, mit der Trump gern seine zweite Amtszeit schmücken möchte, ist nicht zu denken, solange der Regionalkrieg weitergeht. Auch die Ambition aller US-Präsidenten, die arabischen Golfstaaten in eine aktive Allianz gegen Iran hineinzuziehen, kommt unter diesen Umständen einer Erfüllung nicht näher, sondern die erscheint gegenwärtig viel weiter entfernt als während Trumps erster Amtszeit.

Der nächste Präsident der USA will aber trotzdem nicht so gesehen werden, als fordere er Israel zur Beendigung des Krieges um jeden Preis auf. Auf eine entsprechende Frage antwortete Elizabeth Pipko, eine nationale Sprecherin der Republikanischen Partei, am Tag nach der US-Wahl in einem Interview mit dem israelischen Privatsender Kanal 12: »Ich würde sagen, er erwartet von Israel, dass es den Krieg beendet, indem es ihn gewinnt, hundertprozentig. So spricht er immer über die Beendigung von Kriegen. (…) Ich glaube, er will den Krieg so schnell wie möglich beenden, wie es alle vernünftigen Leute tun, aber er möchte, dass er mit einem entscheidenden Sieg beendet wird.«

In diesem Kontext ist damit zu rechnen, dass sich Trump nicht der unter Israels Politikern von Regierung und Opposition vorherrschenden, immanent logischen und zwangsläufigen Meinung verschließen wird, der Schlüssel zur Beendigung des Regionalkrieges und der schnellste Weg zu diesem Ziel liege in einer militärischen Konfrontation mit dem Iran. Netanjahus neuer Verteidigungsminister Israel Katz, der sich schon auf seinem bisherigen Platz als Außenminister auffallend bissig zeigte, verkündete am Montag, dass »die diplomatische, operative und taktische Lage« für einen Angriff auf das iranische Atomprogramm noch nie so »machbar, realistisch und wahrscheinlich« gewesen sei, wie im aktuellen Moment.

Das muss Trump nicht unbedingt gefallen. Vielleicht wäre es aus israelischer Sicht geschickt, diese Operation noch vor dessen Amtsantritt zu beginnen. Trump könnte danach Leute aus seinem Team als eine Art Vermittler auftreten lassen oder sogar selbst in dieses Kostüm schlüpfen. Die politische Führung in Teheran wäre darüber vermutlich nicht unglücklich. Der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Esmaeili Baghaei, trat am Donnerstag vor einer Woche mit der erstaunlichen Aussage vor die Presse, Trumps Wahlsieg biete den USA »eine Chance, die falschen Verhaltensweisen der Vergangenheit zu überprüfen und zu revidieren«. Der Misserfolg dieses »diplomatischen« Intermezzos wäre absehbar, die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln wahrscheinlich.

Hintergrund:

Trumps »­Friedensplan«

Im vierten Jahr seiner Amtszeit als US-Präsident, am 28. Januar 2020, stellte Donald Trump im Weißen Haus an der Seite von Benjamin Netanjahu seinen »Friedensplan« vor, der angeblich den jahrzehntelangen palästinensisch-israelischen Konflikt lösen und den US-Präsidenten zu einem Platz in der Geschichte tragen sollte. Trump sprach prahlend vom »Deal of the Century«.

Den Palästinensern wurde in diesem »Friedensplan« ein zersplittertes Mosaik von Enklaven ohne Kontrolle über seine Grenzen, seinen Luftraum und seine Außenpolitik offeriert, in dem die Polizei- und Militärgewalt zeitlich unbegrenzt weiter von Israel ausgeübt werden sollte. Diese vage, durch keine verbindlichen Zusagen gestützte »Vision« wurde von einer Vielzahl Bedingungen abhängig gemacht. Unter anderem sollte die palästinensische Autonomieregierung: 1. die Hamas, den Islamischen Dschihad und alle anderen Widerstandsorganisationen entwaffnen; 2. Israel als »jüdischen Staat« anerkennen; 3. jeden Versuch unterlassen, ohne Zustimmung Israels internationalen Organisationen beizutreten; 4. nichts unternehmen, um Israel oder die USA beim Internationalen Gerichtshof oder beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag anzuklagen, und alle laufenden Klagen zurückziehen; 5. keine Anträge bei Interpol gegen Staatsbürger Israels oder der USA stellen; 6. sofort die Unterstützungszahlungen an die Angehörigen inhaftierter oder getöteter »Terroristen« unterlassen.

Die Entscheidung, ob die Bedingungen erfüllt seien, sollten Israel und die USA treffen und jederzeit widerrufen können.

Im August 2022 wurde bekannt, dass Trump zwei Tage vor der Pressekonferenz einen Brief an Netanjahu gerichtet hatte. Darin wurde Israel zugestanden, mit Billigung der USA 30 Prozent der Westbank und die dort befindlichen jüdischen Siedlungen zu annektieren. Zur Klärung der Details wurde eine bilaterale Kommission eingerichtet. (km)

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