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Aus: Ausgabe vom 20.11.2024, Seite 7 / Ausland
Österreich

SPÖ in der Zange

Dreierkoalition in Österreich: Sozialdemokraten haben gegenüber Konservativen und liberalen Neos schlechten Stand
Von Dieter Reinisch, Wien
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Ob diese Dreierkonstellation wohl gutgeht?: Parteispitzen der möglichen Koalition am Montag in Wien

In Deutschland sind die Liberalen gerade erst aus einem Dreierbündnis ausgeschieden, in Österreich zieht es sie genau dorthin. Am Montag begannen die Koalitionsverhandlungen zwischen konservativer ÖVP, Sozialdemokraten der SPÖ und liberalen Neos. Bundespräsident Alexander Van der Bellen (Grüne) hatte sich lange Zeit gelassen und zunächst über Wochen hinweg die Parteichefs miteinander reden lassen, bis er dem bisherigen Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) den Auftrag zur Regierungsbildung gab. Weder dieser noch sonst jemand will – zumindest nach außen hin – mit dem großen Wahlsieger, der FPÖ von Herbert Kickl, zusammengehen. Nur die ÖVP-nahe Industriellenvereinigung tritt seit dem Wahlabend am 29. September für eine Koalition der Konservativen mit den Rechtsauslegern ein.

Die ÖVP hatte am Wahlabend stark verloren, und auch die SPÖ unterbot ihr bisher schlechtestes Wahlergebnis, das sie 2019 unter Pamela Rendi-Wagner eingefahren hatte. Allerdings verzeichnete die Partei einen Gewinn bei den absoluten Stimmen, da die Wahlbeteiligung merklich gestiegen war. So gab es für die SPÖ etwas Ungewöhnliches: ein Minus bei den Prozenten, aber ein Mandat mehr im Parlament. Genau dieses eine Mandat stellt die ÖVP-SPÖ-Majorität im neuen Nationalrat her – für Van der Bellen zuwenig. Als er Nehammer den Regierungsauftrag gab, stellte er klar, dass eine Mehrheit von einem Mandat zu fragil sei. Die beiden ehemaligen Großparteien sollten sich einen dritten Partner suchen.

Zur Verfügung stehen Grüne und Neos. Von Beginn an war klar, dass die Neos die besseren Karten haben. Denn die bisherige Regierungszusammenarbeit zwischen Konservativen und Grünen funktionierte schon seit langem nicht mehr und war von internen Streitigkeiten zerrüttet. Die Sozialdemokraten dagegen koalieren derzeit erstmals mit den Liberalen im Wiener Gemeinderat und weisen regelmäßig darauf hin, dass dieses Bündnis doch gut funktioniere – aus ihrer Sicht. Was an den Größenunterschieden in Wien liegt: Die Neos sind Mehrheitsbeschaffer der SPÖ und mit Bildungsstadtrat und Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr mit gerade einmal einer einzigen Person in der Koalition vertreten. In einer möglichen Dreierkoalition im Bund dürfte ihre Rolle jedoch eine andere sein. Die ultratransatlantischen Neos stellen klare Forderungen. Ihr Jugendverband hat vor kurzem mit 90 Prozent Zustimmung beschlossen, Österreich solle doch der NATO beitreten. Auch in ökonomischen Fragen beziehen sie eindeutig Position. Ihre jährliche Wirtschaftsvorlesung an der Neos-Parteiakademie ist nach dem Pinochet-Unterstützer Friedrich Hayek benannt.

Am Dienstag trafen sich in einem Wiener Innenstadtpalais schließlich die Arbeitsgruppen zu ersten Gesprächen. Es ging primär um die Terminfindung für die Verhandlungen in den kommenden Tagen und Wochen: 300 Unterhändler sollen in sieben Haupt- und 33 Untergruppen das künftige Regierungsprogramm erarbeiten. Sie sollen regelmäßig Bericht an die Steuerungsgruppe geben, in der die drei Parteichefs sitzen. Beachtenswert sind die Leitungen der einzelnen Hauptgruppen. In ihnen sind jeweils vier Personen vertreten: eine von der ÖVP, eine von der SPÖ und zwei von den Neos. Dies kam auf Wunsch der Liberalen zustande und zeigt von Beginn an, dass dem kleinsten Koalitionspartner ein überproportionales Gewicht zukommen wird.

In die Hände der Neos spielen dürften die Berichte der Wirtschaftsinstitute. Diese fordern Einsparungen, um der steigenden Staatsverschuldung entgegenzuwirken. Denn Österreich befindet sich in der längsten Rezension seit 1945. Die kommende Koalition dürfte also von Beginn an von demselben Streit über Haushaltsfragen geprägt sein, der schließlich auch in Deutschland zum Bruch mit den Liberalen geführt hat. Ebenso dürfte die Debatte über die militärische Unterstützung der Ukraine, die Neutralität Österreichs und eine weitere Annäherung an die NATO, wie von Liberalen und Grünen besonders gefordert, neuen Schwung bekommen. Die SPÖ unter ihrem Parteichef Andreas Babler könnte dagegen mit ihren Forderungen zwischen Konservativen und Neos zerquetscht werden.

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