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Aus: Ausgabe vom 27.11.2024, Seite 6 / Ausland
Ukraine

»Make Russia small again«

Bandera-Fraktion im Kiewer Parlament will ihre Politik maximaler Eskalation des Ukraine-Kriegs durchsetzen
Von Susann Witt-Stahl
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T-Shirt mit Ansage: Ukraines Präsident Wolodimir Selenskij in seiner allabendlichen Ansprache am 23. Oktober

Das westliche Medienestablishment feierte unlängst einen Auftritt des ukrainischen Präsidenten in einem T-Shirt mit der Aufschrift »Make Russia Small Again« als gelungene Provokation. Was nirgendwo berichtet wurde, ist, dass Wolodimir Selenskij mit dieser ukrainischen Variante von Donald Trumps Wahlslogan eine gleichnamige Kampagne von Bandera-Faschisten in der Werchowna Rada bewarb.

Ausgegeben wurde die explosive Losung von einer im August 2023 eingerichteten temporären »Sonderkommission zur Unterstützung der versklavten Völker« Russlands, deren Weiterführung vergangene Woche vom Parlament beschlossen wurde. Neben Abgeordneten, auch der Regierungspartei Diener des Volkes, zum Beispiel Oleg Dunda, wirkt der banderistische »Erinnerungszar« der Ukraine, Wolodimir Wjatrowitsch, beratend mit. Kernmission dieser Arbeitsgruppe sei, den westlichen Partnern die »versklavten Völker« als »wahre russische Opposition zu zeigen« und sie von der Notwendigkeit einer kontrollierten Zerschlagung »des blutigen Imperiums« zu überzeugen, erklärte ihr Initiator Jaroslaw Jurtschin von der Partei Stimme auf seinem Facebook-Account. Als weiteres Ziel nannte er die Rekrutierung von dringend benötigtem »Nachschub« für die ukrainische Armee aus den »versklavten Völkern«.

Das Narrativ der »versklavten Völker« stammt aus der Mythenfabrik des Anti-Bolshevic Bloc of Nations (ABN). Dieser war 1946 in München von Jaroslaw Stezko, einem Führer des Bandera-Flügels der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN-B), als größter Dachverband von ehemaligen Hitlerkollaborateuren weltweit – mit Hilfe einflussreicher deutscher Nazis wie Gerhard von Mende – gegründet worden und befindet sich derzeit unter dem Namen »Anti-Imperial Block of Nations« im Neuaufbau.

Jurtschin, auch Mitglied der Abgeordnetengruppe für interparlamentarische Beziehungen zu Deutschland, war Aktivist des Nationalistischen Jugendkongresses (NMK). Wie der Publizist Moss Robeson belegt hat, ist der NMK eine offen antisemitische Organisation junger Faschisten und Kaderschmiede der OUN-B, die 2019 die militante Spitze der »Widerstandsbewegung« gegen die Umsetzung des Minsk-II-Abkommens bildete.

Die Werchowna Rada hatte schon am 6. Oktober 2022 einen Appell an die sogenannte internationale Gemeinschaft für die »Entimperialisierung der Russischen Föderation und der Dekolonisierung der in ihr annektierten und verbliebenen Nationen« verabschiedet. In Kiew fanden diverse Arbeitstreffen von Jurtschyn und anderen Vertretern der parlamentarischen »Sonderkommission« mit dem internationalen Führer der OUN-B und ABN, Oleg Medunizja, Repräsentanten der »versklavten Völker« sowie westlichen Denkfabriken statt, wie es auf der Seite des »Blocks« Abn.org.ua festgehalten ist. Laut Jurtschin haben sich 82 Abgeordnete aller Fraktionen an einem bereits beschlussreifen Gesetzentwurf, mit dem die politischen Grundlagen für ein Bündnis mit den »versklavten Völkern« geschaffen werden sollen, beteiligt. Im Februar erkannte die Werchowna Rada das Recht der Inguschen auf einen eigenen souveränen Staat durch die Ukraine an.

Das ukrainische Parlament ist durchsetzt von Banderisten, die über die Wahllisten rechtsliberaler Parteien Mandate erhalten haben und seit dem vollständigen Verbot der um Frieden bemühten Opposition ungebremst den Krieg gegen Russland vorantreiben. Beispielsweise war Andrij Lopuschanskij vom Kongress Ukrainischer Nationalisten (KUN), der Partei der OUN-B in der Ukraine, 2019 auf der Liste von Petro Poroschenko, Europäische Solidarität, ins Parlament eingezogen. KUN war 1992 auf Initiative von Stezkos Frau Slawa, seit seinem Tod Leiterin des ABN, ab 1991 auch der OUN-B, 1998 Alterspräsidentin der Werchowna Rada, aufgebaut worden. Auf den offiziellen Social-Media-Kanälen des ukrainischen Parlaments werden Stepan Bandera und Jaroslaw Stezko als »Verfasser der Grundsätze zur Wiederherstellung des ukrainischen Staates« gewürdigt. Vergangene Woche verlieh Präsident Selenskij dem Australier Stefan Romaniw, langjähriger Führer der internationalen OUN-B, Vizepräsident des ABN und des Ukrainischen Weltkongresses, der im Juni verstorben war, posthum einen Orden.

Wir laden Sie herzlich zur Vorstellung des Buches »Der Bandera-Komplex« ein. Der langjährige jW-Chefredakteur Arnold Schölzel wird ein Gespräch mit der Herausgeberin Susann Witt-Stahl führen und die Veranstaltung moderieren.

Am Donnerstag, den 5. Dezember 2024 in der Maigalerie der Tageszeitung junge Welt

Beginn: 19 Uhr, Einlass ab 18 Uhr Eintritt: 10 € (Ermäßigt: 5 €). Um Anmeldung wird gebeten: 0 30 / 53 63 55 54 oder maigalerie@jungewelt.de

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Ulf G. aus Hannover (29. November 2024 um 11:50 Uhr)
    Ein interessanter Artikel von Frau Susann Witt-Stahl. Zu erinnern wäre auch an ihren gleichfalls guten Artikel in der jW vom 17. März 2023. Einer der rechtsradikalen Schrittmacher der ukrainischen »Demokratie« hatte demnach bereits 2019 Herrn Selenskij mit dem Tod gedroht, sollte er sein Wahlversprechen wahrmachen und die Minsker Vereinbarungen umsetzen. Er würde dann »an einem Baum« in Kiew hängen. Die Krieger um den Rechten Sektor wollten weiterkämpfen, bis sie den »Sieg über den Ruinen des brennenden Kremls feiern« könnten. Und das hochgerüstet durch den Westen, der somit hinter der Fassade demokratischer Strukturen die faktische Diktatur des rassistischen Russenhasses in der Ukraine unterstützt.
  • Leserbrief von Lothar Böling aus Düren (27. November 2024 um 21:50 Uhr)
    Hier wird deutlich, was der Westen unter »wertebasierter Ordnung« versteht. Offiziell lehnt man eine Zusammenarbeit mit Faschisten ab. Doch eng verbunden mit ukrainischen Nationalisten und Faschisten, die täglich die eigene Bevölkerung opfern, führt die USA einen Stellvertreterkrieg gegen Russland. Während bürgerliche Parteien aller Couleur und Gewerkschaften Front gegen die AfD machen, liefert eine Bundesregierung (SPD-Grüne-FDP), mit dem Segen der CDU/CSU, seit Jahren Waffen an die Marionettenregierung der Ukraine. Wie man sieht, ist das ukrainische Parlament durchsetzt von Nationalisten und Faschisten, zu denen die EU gute Kontakte pflegt. Fast täglich pilgern westliche Politiker in die Ukraine. Sogar reisefreudige Pilger aus der Linkspartei ließen es sich nicht nehmen, den ukrainischen Nationalisten und Faschisten ihre Aufwartung zu machen. Ohne westliche Steuergelder und NATO-Waffen wäre das Morden im Auftrage des US-Imperialismus in der Ukraine und Russland längst zu Ende. Russland einkreisen, isolieren und erobern ist das Ziel der seit 1999 betriebenen NATO-Osterweiterung. Was 1812 mit Frankreichs Russland-Feldzug begann, findet 200 Jahre später immer noch eifrige Nachahmer. Ein buntes Sortiment an fabulierenden Kriegstreibern und Maulhelden steht täglich in den »unabhängigen« Medien als »Experten« vor der Kamera. Wie schon unseren Großeltern 1914, erzählt man erneut das Märchen vom bösen Russen, der den kleinen deutschen Michel fressen will, während Boris Pistolius als eifriger Panzer-Beifahrer bereits den Angriff auf Russland übt. Wie vor dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, müsse Deutschland wieder kriegsfähig werden, erzählt dieser SPD-Gernegroß. Während Russland jahrzehntelang Gas, Öl und Kohle in die EU lieferte und auf gute Zusammenarbeit hoffte, rückte die NATO seit 1999 über 1.000 Kilometer bis an Russlands Grenze vor und stationierten die USA bereits Truppen und Waffen in Polen. Angeblich, um Europa vor Raketen aus dem Iran zu schützen. Auch ein Märchen!
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Michael M. aus Berlin (28. November 2024 um 20:52 Uhr)
      »Russland einkreisen, isolieren und erobern ist das Ziel der seit 1999 betriebenen NATO-Osterweiterung. Was 1812 mit Frankreichs Russland-Feldzug begann, findet 200 Jahre später immer noch eifrige Nachahmer.« Keineswegs, das Morden geht schon seit Zeiten des Deutschen Ordens so.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (26. November 2024 um 20:58 Uhr)
    Das Klein als Größe des Kampfes »Make Russia Small Again« – der Slogan ist mehr als eine Provokation, er ist ein Zündfunke in einem Pulverfass. Doch wann war Russland eigentlich klein? Im Vergleich zur ukrainischen Geschichte wohl zuletzt vor den Zarenreichen, als die Kiewer Rus gegen die Tataren nach Norden ausweichen musste – lange bevor es überhaupt eine Ukraine gab. Doch die Botschaft des Slogans geht tiefer: Es ist der Versuch, die russische imperiale Föderation, als künstliches Gebilde darzustellen, genährt von Unterdrückung und Expansion. Nun zu Wolodymyr Selenskyj, dem Mann, der 2019 als Hoffnungsträger einer entpolarisierten Ukraine gewählt wurde. Seine Wurzeln liegen nicht im westlichen Galizien, der Hochburg der Bandera-Verehrer, sondern im russischsprachigen Krywyj Rih. Doch der Krieg hat ihn auf unheimliche Weise mit Kräften verbunden, die einst an den Rändern der Gesellschaft standen. Der einstige Satiriker trägt nun die Verantwortung für einen Konflikt, der extreme Töne zur Normalität werden ließ – Töne, die von einer Rhetorik maximaler Eskalation bis hin zu offenen Anleihen bei einem fragwürdigen nationalistischen Erbe reichen. Die »Bandera-Fraktion« im ukrainischen Parlament treibt die Überhöhung eines Narratives voran, das die Zerschlagung Russlands zur moralischen Notwendigkeit erklärt. Selenskyj scheint, ob aus Kalkül oder aus Zwang, diese Agenda zu dulden, während seine westlichen Unterstützer wegsehen. Der einstige Komiker ist längst Akteur in einem düsteren Drama, bei dem die Zuschauer vor allem eines tun: applaudieren, solange die Pointe gegen Moskau gerichtet ist. Doch Vorsicht: Wer sich mit radikalen Kräften einlässt, riskiert, selbst von ihnen verschlungen zu werden. Es bleibt abzuwarten, wie weit Selenskyj sich noch von den einstigen Werten seiner Präsidentschaft entfernen kann, bevor er zur Geisel jener wird, die weder mit Russland noch mit moderaten Stimmen in den eigenen Reihen Kompromisse kennen.

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