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Aus: Ausgabe vom 21.12.2024, Seite 7 / Ausland
Israel

Krieg gegen die UNO

Brief aus Jerusalem: Israels Regierung will die Vereinten Nationen lieber heute als morgen loswerden
Von Helga Baumgarten, Jerusalem
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Die israelische Regierung führt gegenwärtig einen regelrechten »Feldzug« gegen die UNO. Begonnen hat er mit Angriffen auf das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA), das 1949 etabliert wurde. Im Herbst wurde dessen Hauptquartier in Jerusalem von Demonstranten auch mit Molotowcocktails angegriffen. Am 28. Oktober schließlich verabschiedete die Knesset zwei Gesetze gegen die Arbeit der UNRWA in Palästina. Philippe Lazzarini, der Leiter des Hilfswerks, kritisierte die beispiellosen Angriffe. Er nannte sie schlicht Kollektivstrafen. So würden durch Schließung der UNRWA-Schulen 650.000 Kinder ihrer Schulbildung beraubt.

Das israelische Rationale hinter dem Krieg gegen die UNRWA ist der Versuch, das palästinensische Flüchtlingsproblem zu beenden bzw. schlicht zu behaupten, es gebe gar keine Flüchtlinge mehr. Lazzarini entzieht dem den Boden, indem er deutlich macht, dass die Schließung der UNRWA in Palästina den Betroffenen keineswegs ihren Flüchtlingsstatus nehmen würde. Denn dieser ist geschützt durch UN-Resolutionen – bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine gerechte und dauerhafte Lösung für die Palästinenser gefunden ist. Die UNRWA arbeitet derzeit im Ausnahmemodus. Man hofft, dass auch nach dem Jahreswechsel eine Arbeit in Ostjerusalem und der Westbank möglich sein wird. Internationale Mitarbeiter operieren derzeit wohl von Amman aus. Hier im Lande haben lokale Mitarbeiter im UNRWA-Büro in der Westbank vorübergehend eine zentrale Rolle eingenommen.

Andere UN-Organisationen wie das Nothilfebüro OCHA oder Unsco haben ebenfalls zunehmend Probleme, Visa für internationale Mitarbeiter zu bekommen oder Verlängerungen zu erhalten. Vor Oktober 2023 wurden sie für ein Jahr erteilt und danach routinemäßig verlängert. Inzwischen erhalten die UN-Leute ihre Visa nur noch für maximal vier Monate, wenn der Mitarbeiter eher positiv eingeschätzt wird, oder für zwei Monate, wenn man ihn kritisch einstuft. Falls Israel meint, selbst führende Mitarbeiter seien »israelfeindlich«, werden die Visa überhaupt nicht mehr verlängert oder entzogen.

Das bedeutet, dass internationale Mitarbeiter mit Familie im Prinzip keine Position in Jerusalem mehr antreten können: Mit so kurzen Visa kann man keine Wohnung mieten und seine Kinder nicht in Schulen anmelden. Die Arbeit der UN-Organisationen in Palästina, die alle ihren Sitz in Ostjerusalem haben, hat aber große Bedeutung für die Menschen unter dem System des Siedlerkolonialismus. Ihre Arbeit ist ungleich wichtiger geworden seit Beginn des Völkermordes in Gaza und der Intensivierung der ethnischen Säuberungen in der Westbank.

OCHA veröffentlicht jede Woche Berichte über die humanitäre Situation in Gaza und im Westjordanland. Monatlich erscheinen Statistiken über die Opfer israelischer Politik, über Häuserzerstörungen und gezielte Vertreibungen. Schließlich gibt OCHA ausgezeichnete Karten heraus, etwa über Armeesperren quer durch die Westbank. Die neuesten Karten zu Gaza zeigen, wo es zum Beispiel noch funktionierende Krankenhäuser gibt, welche Gegenden die israelische Armee besetzt hält oder wo die sogenannten sicheren Zufluchtzonen sein sollen.

Unsco, das Büro des Koordinators für den Nahost-Friedensprozess, arbeitet auf vielen Gebieten, die übersichtlich auf seiner Website einsehbar sind. Tägliche Presseberichte gewähren Einsicht in die Lage vor Ort zu unterschiedlichen Problemfeldern. Schließlich publiziert Unsco aktuelle Stellungnahmen wichtiger UN-Vertreter oder relevante Reden in der UNO, auch Beschlüsse der Vollversammlung oder des Sicherheitsrates.

Israels Regierung wäre all diese Institutionen offensichtlich gerne los. Was sie von der UNO generell, nicht nur von den UN-Vertretungen in Jerusalem, hält, hat der israelische UN-Botschafter Gilad Erdan in New York überdeutlich gemacht: Vor der Vollversammlung schob er am 10. Mai die UN-Charta in einen Minischredder. Wie lange kann ein solcher Staat noch Mitglied in der UNO bleiben?

Dies ist der 18. »Brief aus Jerusalem« von Helga Baumgarten, emeritierter Professorin für Politik der Universität Birzeit.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (21. Dezember 2024 um 10:51 Uhr)
    Helga Baumgarten fragt: »Wie lange kann ein solcher Staat noch Mitglied in der UNO bleiben?« Meine Frage ist: Wie lange kann ein kleines Land mit dem beschriebenen Verhalten überhaupt existieren, und wie lange wollen die Israelis bereit sein, im Kriegszustand zu leben? Zwar mag es für Israel trügerisch wirken, dass das Land bisher alle seine Kriege gewonnen hat, doch Frieden konnte es bisher nicht erringen. Letztlich stellt sich die entscheidende Frage: Lohnt es sich, weiterhin auf eine Zukunft im Zustand von Krieg und Konflikt zu setzen?

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