»All das verheißt nichts Gutes«
Interview: Gitta DüperthalDer Koalitionsvertrag zwischen SPD und BSW in Brandenburg wird etwa hinsichtlich des späten Kohleausstiegs im Jahr 2038 in der Lausitz kritisiert. Warum bewegt sich da nichts?
Die Bundesregierung hatte den Ausstieg bis 2038 beschlossen. Auf der Landesebene hat man das übernommen. Wir hätten uns den Kohleausstieg in Brandenburg am liebsten zum Jahr 2030 gewünscht. Hier bewegt sich dazu nichts, weil die SPD der Braunkohle gegenüber traditionell offen ist. Sie sieht den Wirtschaftsfaktor im Vordergrund. Schon die alte Landesregierung hat sich nicht mit Klimaschutz hervorgetan. Auch das BSW erweist sich da nicht als fortschrittlich. Für uns ist das enttäuschend.
In Grünheide protestieren Umweltschützer dagegen, dass Teslas Produktion das Trinkwasser verschmutze, derweil für die Region Wasser knapp werde. Was steht dazu im Koalitionsvertrag?
Tesla ist nicht erwähnt. Es gibt aber ein klares Bekenntnis zu Brandenburg als Standort des Wirtschaftswachstums, worunter sich auch die Elektroautoproduktion subsumieren lässt. Interessanterweise hängt in der Staatskanzlei ein künstlerisch aufbereitetes Foto der Gigafactory.
Grundwasserbestände sind jetzt schon knapp. Übernutzt man den Grundwasserleiter, der für das Trinkwasser in Anspruch genommen wird, droht aus tieferen Erdschichten salziges Wasser nach oben zu steigen. Der Wasserverband Strausberg-Erkner hat den Wasserverbrauch für Neukunden rationiert und warnt, dies in der Region auszuweiten. Was Tesla dort unternimmt, führt aus Umweltaspekten zu massiven Problemen.
Die Landesregierung hat viel politisches Gewicht in die Waagschale geworfen, um Tesla das Terrain zu bereiten. Im südlichen Kohlerevier dagegen stehen die Zeichen auf Abwicklung.
Der Ministerpräsident hatte aktiv beworben, dass Tesla nach Brandenburg kommt. So wie die SPD hatten auch lokale Medien diesen Megafisch, der da an Land gezogen wurde, bejubelt. Im Juni hatte ich ein Gespräch mit Dietmar Woidke, wollte mit ihm über die Wasserentwicklung sprechen. Er kam aber ständig wieder auf Tesla zu sprechen. Im Zuge der Ansiedlung waren etwa 15 vorläufige Genehmigungen erteilt worden: etwa Waldrodung zugunsten einer Gewerbefläche. Solche Art Genehmigungen darf es eigentlich nur geben, wenn geklärt ist, dass im Fall des Nichtzustandekommens der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt wird. Doch kann man ja keine einmal gefällten 100jährigen Kiefern neu pflanzen!
Im Fall der LEAG (Energieunternehmen mit Sitz in Cottbus, jW) muss nun sichergestellt werden, dass der Konzern sich nach Ende des Tagebaus dort zurückzieht, die Folgekosten der Renaturierung, der Pumptätigkeit und der Absenkung von Grundwasserbeständen übernimmt – damit im Fall einer Insolvenz nicht die Steuerzahler auf den Kosten sitzenbleiben. Davon ist keine Rede.
Was entnehmen Sie der Vereinbarung zwischen SPD und BSW im Hinblick auf Waldentwicklung und Artenvielfalt?
Erwähnt sind Allgemeinplätze: Man bekennt sich, dass die Natur unsere Lebensgrundlage ist. Im Detail ist aber das Gegenteil manifestiert. Brandenburg hatte beschlossen, zehn Prozent des Waldes aus der Nutzung zu nehmen, um dort Naturwald und Biodiversität zuzulassen. Das aber soll jetzt erneut überprüft werden. Man erwägt auch, Verordnungen von Landwirtschaftsschutzgebieten zu überprüfen, um mehr kommunale und gewerbliche Entwicklungen zuzulassen. All das verheißt nichts Gutes.
Den Bestand von Wölfen und Bibern will man »regulieren«.
Genau. Sie sind aber in Brandenburg beheimatet, können mit den Menschen hier zusammenleben. Herdenschutzhunde sind etwa ein probates Mittel, um Probleme mit Wolfsrissen von Weidetieren anzugehen. Beim Bau von Biberhöhlen kann man Vorkehrungen treffen, damit Biber sich nicht dort eingraben, wo sensible Infrastruktur gefährdet sein könnte.
Die neue Landesregierung steht in den Startlöchern. Wie stellt sich der Nabu auf?
Wir werden die Umweltpolitik der Landesregierung weiterhin beobachten, den Druck aufrechterhalten, uns an Demonstrationen und Protesten beteiligen.
Björn Ellner ist Landesvorsitzender des Naturschutzbundes Nabu Brandenburg
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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
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