»Es ist nicht alles in Ordnung«
Interview: Max OngsiekIn Brandenburg hat die Landesregierung am Freitag mitgeteilt, dass die Eilverordnung zur Eindämmung der Maul- und Klauenseuche, kurz MKS, auslaufen soll. Bekam Ihr Betrieb im Wendland die Folgen des Ausbruchs zu spüren?
Die Preise sind vergangene Woche wieder gefallen. Das ist vermutlich eine Folge von Import-Export-Beschränkungen für Schweinefleisch aus Deutschland. Zwar vermarkten wir selber, aber nichtsdestotrotz setzt das auch unseren Preis vermutlich unter Druck.
Inwieweit begünstigen die Art der Tierhaltung und Größe des Betriebes die Entstehung und Verbreitung von MKS? Kann ein Biobetrieb genauso betroffen sein wie ein konventioneller?
Da sich MKS relativ leicht über Tröpfcheninfektion und die Luft überträgt, können alle Betriebe gleichermaßen betroffen sein.
Die Furcht vor möglichen wirtschaftlichen Schäden durch die Maul- und Klauenseuche war in der Agrarbranche zuletzt groß. Wie beurteilen Sie die staatlich angeordneten Maßnahmen zur Eindämmung?
Seit 10. Januar waren Fälle von Maul- und Klauenseuche bekannt. Gut eine Woche später kann ich nicht beurteilen, wie erfolgreich die entsprechenden Maßnahmen sind. Allerdings hat man die Afrikanische Schweinepest, 60 Kilometer von uns entfernt in Mecklenburg-Vorpommern, durch Einzäunung und konsequente Bejagung relativ schnell in den Griff bekommen.
Fleisch von Tieren, die außerhalb der Sperrzonen gehalten und geschlachtet wurden, soll weiterhin exportiert werden. Gibt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir von den Grünen dem Druck der Großagrarier nach?
Nein, dass Fleisch exportiert wird, ist ganz normal. Wenn es jetzt umgedreht wäre und in Holland wäre MKS bekannt und wir würden sagen: »Ab jetzt keine Ferkel mehr aus Holland«, dann hätten die ein wesentlich größeres Problem als wir. Allerdings ist es nicht so, dass wir nicht auf Export angewiesen sind. Gerade Teile von geschlachteten Tieren, die nicht so wertvoll sind, gehen häufig in Drittländer.
Ist die massenhafte Versorgung der Bevölkerung mit tierischen Lebensmitteln ohne industrielle Landwirtschaft überhaupt möglich?
Na ja, dass wir zu mehr Tierwohl kommen und die Haltungsbedingungen wieder dem Tier anpassen müssen, steht außer Frage. Das kostet aber auch Geld. Wenn wir sagen, wir müssen die Tierzahlen im Betrieb halbieren, dann bedeutet das auch, dass der Fleischkonsum reduziert werden muss. Das ist ganz logisch.
Am Montag vergangener Woche wurden auch Tiere aus Gebieten getötet, die frei von Infektionsanzeichen waren. Der Betrieb, aus dem diese stammten, hatte Heu von dem Hönower Hof bezogen, in dem die Seuche ausgebrochen war. War das wirklich alternativlos?
Man kann den Erreger durch Beprobung relativ schnell feststellen, denn die Auswertung dauert vielleicht 24 Stunden. Wenn man dann allerdings festgestellt hätte, da ist dann doch ein Tier infiziert, dann wäre der Aufschrei groß, dass man nicht gleich gehandelt hat. Bei Tierseuchen ist es häufig so, dass die Betriebe, die irgendwie Kontakt mit dem Seuchenbetrieb hatten, genauso betreut werden.
Am Freitag startete die Verkaufsmesse »Grüne Woche« in Berlin. Das Bündnis »Wir haben es satt«, in dem auch die AbL aktiv ist, rief am Sonnabend zur Demo auf. Das Motto: »Wir haben Agrarindustrie satt«. Wie stark sind die Hebelwirkungen solcher Proteste, wenn es zum Beispiel um die Umsetzung Ihres Positionspapiers »Zukunft braucht Höfe – Forderung für eine gerechte Agrarpolitik« geht?
Der Anspruch besteht, dass die Politik das umsetzt. Gäbe es diese Demonstration nicht, dann würden viele den Eindruck haben, es sei alles in Ordnung. Das ist nicht der Fall. Aber politische Prozesse und Veränderungen sind immer langwierig. Ich wohne ja hier im Wendland. Wir haben Gorleben hier vor der Tür, und wir sind hier vor über 40 Jahren gegen ein Endlager (für Atommüll, jW) auf die Straße gegangen. Jetzt wird das Ding wieder zurückgebaut.
Martin Schulz führt einen konventionellen »Neuland«-Schweinemastbetrieb im niedersächsischen Wendland und ist Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e. V.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Ähnliche:
- 23.03.2024
Steuermilliarden für Konzerne
- 06.01.2024
Bauern machen Bambule
- 15.11.2023
Verzug bei Aussaat
Regio:
Mehr aus: Inland
-
Germany: 0,3 Punkte
vom 20.01.2025 -
Sozialstaat gegen »Meta-Krise«
vom 20.01.2025 -
»Dieser überzogene Vorwurf soll Hanna einschüchtern«
vom 20.01.2025 -
Die Parteien für Besserverdiener
vom 20.01.2025 -
Regierungslinke Straßenkicker
vom 20.01.2025 -
Akademischer Austausch auf eigene Faust
vom 20.01.2025