Gedämpfte Freude
Von Jörg TiedjenNach bangem Warten und stundenlanger Verzögerung war es in der Nacht auf Montag kurz nach 0.00 Uhr endlich so weit. Zwei Autobusse verließen das israelische Ofer-Gefängnis. Menschen jubelten, als sie mit einigen der 90 palästinensischen Gefangenen in der Stadt Beitunia im Westjordanland eintrafen. Wie auch in Gaza feierten die Menschen in der Westbank die Feuerpause und den Beginn des Gefangenenaustauschs, wie AFP festhielt. Allerdings konnten die meisten Freigelassenen nicht gleich in ihre Heimatorte zurückkehren, weil zu passierende israelische Kontrollpunkte geschlossen waren.
Vergeblich hatte die israelische Armee vor allen Freudenkundgebungen gewarnt. In der Nacht kam es in der besetzten Westbank zu Angriffen israelischer Siedler, die Molotowcocktails und Steine warfen und Autos von Palästinensern in Brand setzten. Angefeuert wurden die Extremisten vom israelischen Rechtsaußenfinanzminister Bezalel Smotrich. Der Chef der Partei der religiösen Zionisten gehört zu den Gegnern der vereinbarten Waffenruhe und forderte im Militärradio statt dessen eine Annexion Gazas.
Ins gleiche Horn stieß der israelische Außenminister Gideon Saar. »Wir haben heute die Bilder aus Gaza gesehen«, sagte er mit Blick auf die dortige Siegesfreude und das Paradieren von Kämpfern gegenüber CNN. »Die Hamas ist noch immer an der Macht in Gaza«, aber sie dürfe dort »nicht länger die herrschende Macht sein«. Wie wenig sich Israel an die Waffenruhe gebunden fühlt, unterstreicht auch eine Meldung der Agentur WAFA, nach der israelische Scharfschützen am Montag im Süden des Küstenstreifens zwei Menschen töteten.
Vor der Freilassung der palästinensischen Gefangenen hatte die Hamas am Sonntag nachmittag um 16 Uhr drei israelische Geiseln dem Roten Kreuz in Gaza übergeben. Es handelte sich um Romi Gonen (24), Emily Damari (28) und Doron Steinbrecher (31). Sie waren seit ihrer Entführung während des Hamas-Angriffs am 7. Oktober 2023 in Gaza festgehalten worden. In der Gefangenschaft verlor Damari zwei Finger.
Während sich die westliche Presse vor allem um den Zustand der freigelassenen israelischen Geiseln sorgte, schockierte eine Aufnahme der palästinensischen Politikerin Khalida Dscharrar. Sie war immer wieder von der Besatzungsmacht verfolgt und nach dem 7. Oktober erneut verhaftet worden. Die vergangenen sechs Monate hatte sie in Isolationshaft verbracht. Eine Anklage hat es wie bei Hunderten Palästinensern in israelischen Gefängnissen nicht gegeben. Dscharrar scheint auf dem Video um Jahre gealtert und ist kaum mehr wiederzuerkennen.
Zwischen der Hamas und Israel sind nun weitere Freilassungen vereinbart. Insgesamt sollen während der auf sechs Wochen angelegten Feuerpause 33 israelische gegen 1.904 palästinensische Gefangene ausgetauscht werden. Organisationen wie die israelisch-palästinensische Bewegung »Standing Together« begrüßen die Feuerpause, fordern jedoch eine dauerhafte Friedenslösung und einen kompletten Geiselaustausch.
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