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Aus: Ausgabe vom 23.01.2025, Seite 5 / Inland
Industriepolitik

»Grüner« Stahl als Projektidee

Niedersachsen: Zwist um klimaneutrale Transformation des Hüttenwerks bei Salzgitter AG
Von Oliver Rast
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Noch dampft aus der Hütte in Salzgitter der Kohlenstaub. Wie lange noch? Wohl lange noch

Besonderes braucht einen Extranamen, besser noch ein eingängiges Kürzel: »Salcos«. Das steht für »Salzgitter Low CO2 Steelmaking«. Weniger eingängig, dafür anglisiert. Typisch Konzernsprech. Und übersetzt? Mit dem Projekt will der fünftgrößte europäische Stahlproduzent Salzgitter AG den Firmenbereich von Flach- und Profilstahl transformieren, auf Sicht klimaneutral machen. Wie? Indem »grüner« Wasserstoff verwendet wird. Das kostet. Bund und Land Niedersachsen schießen rund eine Milliarde Euro zum Projektgelingen bei, berichtete tagesschau.de am Mittwoch.

Ein solcher Transformationsprozess will begleitet werden. Eine Aufgabe für den Minister für Umwelt und Energie Christian Meyer (Bündnis 90/Die Grünen). Der Ressortchef besuchte gleichentags den Stammsitz in Salzgitter des in gut 100 Unternehmen verschachtelten Konglomerats mit seinen mehr als 25.000 Beschäftigten. Nicht nur, aber wohl vor allem ein Wahlkampfauftritt. Denn die Debatte ist abermals entbrannt. Die »W-Fragen« sind bekannt. Wann ist Wasserstoff in »Grün« in Mengen verfügbar? Wo soll er herkommen? Wie teuer wird er sein? Also, klimaschonend Stahl herstellen, keine einfache Sache. Das weiß auch Friedrich Merz, der Kanzlerkandidat der Union. Merz hatte kürzlich bei der Betriebsrätekonferenz der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) in Nordrhein-Westfalen folgendes angemerkt: »Ich glaube persönlich nicht daran, dass der schnelle Wechsel hin zum wasserstoffbetriebenen Stahlwerk erfolgreich sein wird.«

Eine Aussage, die Minister Meyer nicht so einfach hinnehmen wollte. Er wies Merz’ Kritik am Mittwoch auf Anfrage des NDR zurück: »Wer nicht an grünen Stahl glaubt, befördert damit das Ende der Stahlproduktion in Deutschland.« Offenbar eine Glaubensfrage. Davon unabhängig, Merz sei ein »Investitionsrisiko für 10.000 Arbeitsplätze in Niedersachsen«, so Meyer weiter. Das gelte nicht nur für die Stahlproduktion, sondern auch für andere Bereiche, wie die Wind- oder Automobilbranche, die bei der Herstellung von Windrädern oder Elektroautos auf Klimaneutralität setzten.

Meyers Reaktion auf Merz ist nachvollziehbar. Das Projekt »Salcos« gibt es seit 2015, steht auf der Homepage der Salzgitter AG. Der Bau der Anlagen für eine Stahlproduktion mit »grünem« Wasserstoff sei wiederum laut dem Ministerium aus Hannover in vollem Gange. Nur, was passiert da eigentlich? Im Kern »die Umstellung der Stahlproduktion von Hochöfen auf die anfangs erdgas- später wasserstoffbasierte Direktreduktion«. Ist das Hüttenwerk umgestellt, ließe sich der bisher zur Stahlherstellung benötigte Kohlenstoff komplett ersetzen. Durchaus eine technische Meisterleistung. Fast jedenfalls. Auch, weil damit 95 Prozent der Kohlendioxidemissionen gesenkt würden, sagen die »Salcos«-Macher. Aber stopp. Eine Zeitschiene für das Projekt fehlt. Erkennbar an relativierenden Füllwörtern (»langfristig«, »nahezu«). Möglicherweise weiß Minister Meyer mehr, etwa bei seiner Visite am AG-Stammsitz in Salzgitter. Sagen dazu will er aber nichts. »Seitens des Ministeriums ist kein Statement bezüglich des Besuches vorgesehen«, so Marita Haouari vom Pressestab am Mittwoch auf jW-Nachfrage. Schade.

Übrigens, was meint die regionale IG Metall Salzgitter-Peine zum Merz-Meyer-Zwist auf Ferndistanz? Gleichfalls unklar. Die Geschäftsstelle schließt mittwochs schon um 12 Uhr. Eine schriftliche Anfrage an den zuständigen ersten Bevollmächtigten blieb bis jW-Redaktionsschluss unbeantwortet. Schade, schade. Auch die Vertrauenskörperleitung (VKL) der IGM war für jW nicht erreichbar. Schade, schade, schade. Zumal es auf der VKL-Page heißt: »Unsere Belegschaft ist zu 95 Prozent in der IG Metall organisiert!«

Was sagt uns das alles hinsichtlich klimaneutralen Stahls? Wenig. Wenigstens bleibt das flotte Kürzel »Salcos«.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Klaus W. (23. Januar 2025 um 09:50 Uhr)
    Wir werden es mit importiertem oder blauen/grauen Wasserstoff machen und die Chinesen mit elektronischem Strom. Flash Ironmaking. Wasserstoff wird wohl eine Vergangenheitstechnologie werden im Bereich Stahl.

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