Schlammbad mit Folgen
Von Marc BebenrothBei eisigen Temperaturen standen die Kohlegegner am Mittwoch in Solidarität mit dem jungen Mann vor dem Amtsgericht in Erkelenz. Dort muss sich der französische Altenpfleger Loïc Schneider wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung verantworten. Der 29jährige räumte die gegen ihn von der Anklage erhobenen Vorwürfe zu Beginn der Verhandlung ein.
Schneider gestand, während der Proteste zum Schutz des Dorfes Lützerath am Tagebau Garzweiler II in NRW vor der Zerstörung durch den Kohlekonzern RWE im Januar 2023 in Kampfmontur gekleidete Polizisten in den knöcheltiefen Schlamm befördert zu haben. Wegen seiner Aufmachung als Ordensbruder wurde Schneider als »Mönch von Lützerath« bekannt. Videos von ihm, die zeigen, wie er, von Beamten umringt, diese am Fortkommen hindert, verbreiteten sich rasch über Social-Media-Plattformen. Bis zu seiner Selbstenttarnung in Interviews war Schneiders Identität der Öffentlichkeit nicht bekannt.
Zu den Reaktionen auf die Aufnahmen von ihm im Mönchskostüm sagte der Franzose, der Großteil der Menschen, die seine Aktion an den Bildschirmen gesehen haben, hätte sie »amüsant« gefunden. Er habe das von Kohlegegnern besetzte Dorf verteidigen wollen. »Ich hab’ ihn nur in den Schlamm gestoßen«, erklärte Schneider zu seinem Vorgehen gegenüber einem Beamten – und beklagte die von der Polizei ausgeübte Gewalt gegen die Protestierenden.
Der »Mönch« hatte unter anderem einen Polizisten, der im schlammigen Boden feststeckte, mehrfach zu Boden geworfen, wie auf Videos zu sehen ist. Schneider habe viel Polizeigewalt beobachtet und das nicht mehr ertragen können, sagte Mara Sauer, Sprecherin der Initiative »Lützerath lebt!«, am Mittwoch im Gespräch mit junge Welt mit Verweis auf die von dem jungen Mann nach dem Termin gegenüber den – teils in Mönchskostüme gehüllten – rund 70 Aktivisten wiederholte Einlassung. Der Altenpfleger habe spontan verhindern wollen, dass die hochgerüsteten Beamten weitere Menschen angreifen, sagte Sauer.
Mit seiner ausführlichen, von ihm vorgetragenen und von einer Dolmetscherin übersetzten Erklärung wollte der junge Arbeiter vor allem eines: dem Richter und den Anwesenden im Verhandlungssaal darlegen, »worum es ihm bei seinem Protest ging« und »warum das passiert ist, was passiert ist«, erklärte Schneiders Anwältin Carolin Kaufmann gegenüber den Sendern RTL/N-TV. Dieser Verhandlungstag habe gezeigt, dass es wichtiger ist, zu erzählen, was die Umstände waren, und dies öffentlich zu machen, als sich um ein möglichst niedriges Strafmaß zu bemühen, sekundierte die »Lützerath lebt!«-Sprecherin gegenüber jW.
Aktivisten, die dem Termin im Amtsgericht beiwohnten, hätten den Eindruck gewonnen, dass der Richter durchaus »bereit gewesen sei, ein Urteil zu sprechen«, berichtete Sauer. Demnach stand der 29jährige davor, bereits am Mittwoch eine Geldstrafe zu kassieren. Verteidigerin Kaufmann habe allerdings darauf bestanden, bei einem weiteren Termin Polizisten zu befragen. Sie sollen sich zu den dem Franzosen vorgeworfenen Körperverletzungen äußern. Sauer zufolge sei in der Anklage keine Rede von verletzten Beamten gewesen.
Der nächste Verhandlungstermin ist für den 5. Februar angesetzt. Auch dann wollen die Kohlegegner von »Lützerath lebt!« vor dem Erkelenzer Amtsgericht ihre Solidarität mit Schneider zum Ausdruck bringen, wie die Sprecherin ankündigte. Der besondere Ermittlungseifer der Behörden gegen ihn könne auch dadurch motiviert sein, dass die Videos der im Schlamm strauchelnden Beamten die Polizei der Lächerlichkeit preisgegeben haben könnten.
Dem 29jährigen Arbeiter wolle man signalisieren: »Die Repression ist für uns alle gedacht, nicht nur für den einzelnen«, sagte Sauer. Deshalb bleibe man solidarisch. Vor dem Hintergrund der industriell angetriebenen Erderwärmung und dem trotzdem in der BRD forcierten Ausbau des Kohletagebaus sei es Sauer zufolge erschreckend mit anzusehen, »wie Repression gegen Menschen gerichtet ist, die sich für die Lebensgrundlage aller einsetzen«.
Diejenigen, die die »großen Verbrechen verüben«, seien Konzerne wie RWE, deren Profitinteressen mit Polizeigewalt durchgeprügelt werden. Das stimme die »Lützerath lebt!«-Sprecherin teilweise hoffnungslos und nehme ihr das »Vertrauen ins System«. Aber: Die Aktivisten würden sich »zusammen dem entgegenstellen«, sagte Sauer im Gespräch mit jW.
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